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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Schmuck, und sie hatten die gleiche Bedeutung wie die Schlagringe oder Klappmesser vergangener Jahrhunderte. Sein Haar war vor nicht langer Zeit abrasiert gewesen und stand wie eine dunkle Bürste auf seinem Kopf. Sein muskulöser linker Oberarm trug einen roten Ring wie eine entzündete Narbe. Es war eine Markierung, die in den letzten zehn Jahren so oft von der Romanliteratur aufgegriffen und verwendet worden war, daß ihre Erwähnung mittlerweile zu einem hoffnungslosen Klischee geworden war. Aber diese hier war echt und bewies, daß ihr Träger Häftling in der Strafkolonie von Titin gewesen war. Etwas an ihm war so brutal, daß sie ihn nicht ansehen mochte; aber etwas war auch anmutig genug, daß sie doch wieder hinsah.
    Die drei Männer machten in der Mitte des Raumes halt, blickten umher, murmelten etwas, nickten einander zu und wandten sich wieder zum Gehen.
    »Bitte«, rief Rydra ihnen nach, »wo sind wir?«
    Der silberhaarige Mann wandte den Kopf, sagte: »Dschebel Tarik«, und ging mit den anderen hinaus.
    »Was hat er gesagt?« wollte Brass wissen. »War das ein Name?«
    »Dschebel ist arabisch und bedeutet Berg. Tariks Berg, würde ich sagen. Das wäre dann eine historische Entlehnung, denn Gibraltar hieß ursprünglich Dschebel al Tarik. Wenigstens sind sie keine Invasoren, wer immer dieser Tarik sein mag.«
    »Wer sagt das?«
    »Weil ich nicht glaube, daß es auf der anderen Seite Leute gibt, die etwas von Arabien und Arabern und der Ausbreitung des Islams im siebten Jahrhundert wissen. Die drüben sind allesamt Nachkommen von Auswanderern aus Nord- und Südamerika. Und die Strafkolonie von Titin gehört zur Allianz.«
    »Ah, ja«, sagte Brass. »Hmm. Aber das bedeutet nicht, daß die Sträflinge zur Allianz stehen. Was ist überhaupt passiert?«
    »Wir sind ohne Piloten gestartet«, sagte Rydra. »Die Invasoren haben uns hereingelegt, fürchte ich. Wer in Babel 17 senden kann, der kann auch Englisch senden.«
    »Ich glaube nicht, daß wir ohne einen Piloten gestartet sind«, widersprach Brass. »Wer gab dem Maschinenraum die Anweisungen, bevor wir abhoben? Hätten wir keinen Piloten gehabt, würden wir jetzt nicht hier sein. Wir würden eine schmutzige Gaswolke auf der nächstbesten Sonne sein.«
    »Dann war der Pilot wahrscheinlich derselbe Mann, der die gedruckten Schaltungen sabotierte«, sagte Rydra. »Anscheinend will man mich nicht töten. TW 55 hätte mich genauso mühelos wie den Grafen erledigen können.«
    »Ich frage mich, ob der Spion an Bord auch Babel 17 spricht.«
    Rydra nickte. »Das möchte ich auch wissen.«
    Brass schwang seine Beine aus der Hängematte und sah sich um. »Sind das alle? Wo ist der Rest der Mannschaft?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Ein leises Geräusch, und sie wandten die Köpfe. Die Tür glitt wieder zurück, und ein dünnes Mädchen mit einem grünen Stirnband trug eine Schüssel herein.
    »Der Meister sagte, Sie seien wach und hätten vielleicht Hunger, also bringe ich Ihnen dies«, sagte das Mädchen. Es hatte große dunkle Augen, und die langen Wimpern schlugen wie Vogelflügel auf und ab.
    »Es ist nett, daß Sie uns etwas bringen«, sagte Rydra. »Wie ist der Name Ihres Meisters?«
    »Tarik.«
    Rydra nickte Brass zu und sagte: »Und wir sind sozusagen in Tariks Berg, nicht wahr? Wie sind wir hierhergekommen?«
    Das Mädchen reichte ihr die Schüssel. »Er fing Ihr Schiff ab, bevor Ihre Stasisgeneratoren Sie in die Cygnus-42-Nova schießen konnten. Sie waren nur noch einen kleinen Sprung von ihr entfernt.«
    Brass pfiff in seinen wirren Bart. »Kein Wunder, daß wir ohnmächtig wurden. Das war eine schnelle Reise.«
    »Und in eine Nova-Region«, sagte Rydra. »Vielleicht hatten wir doch keinen Piloten.« Sie wandte sich wieder dem Mädchen zu und fragte: »Dschebel Tarik ist also ein Schiff? Und wir sind an Bord?«
    Die andere nickte.
    »Ist es ein Passagierschiff oder ein Frachter? Welche Ladung befördern Sie, und wohin?«
    Sie merkte, daß sie die falschen Fragen gestellt hatte. Das Mädchen trat zurück und starrte mißtrauisch. Nach einem kurzen: »Ich kann Ihnen keine Auskunft geben; Sie müssen mit Tarik sprechen«, drehte sie um und verschwand durch die Rolltür.
    Rydra schaute ihr nachdenklich nach. »Brass«, sagte sie dann, »es gibt keine Raumpiraten mehr, oder?«
    »Jedenfalls ist seit siebzig Jahren kein Überfall auf ein Schiff bekanntgeworden.«
    »Das dachte ich mir. Aber auf was für einem Schiff sind wir?«
    Brass zuckte mit der Schulter.

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