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Babel 17

Babel 17

Titel: Babel 17 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Samuel R. Delany
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Folter?«
    »Wenn Sie so wollen. Er ist den Leuten, die er durch Konditionierung als seine Vorgesetzten anzusehen gelernt hat, absolut ergeben und gehorsam; gegenüber allem, das zu zerstören ihm aufgetragen wurde, ist er absolut destruktiv. In seinem Kopf gibt es kein egozentrisches Über-Ich, keine persönlichen Motivationen, die ihn in Konflikt mit seiner Funktion bringen könnten.«
    »Er ist … schön«, sagte sie zögernd. Die Lider mit den langen dunklen Wimpern schienen zu beben, als wollten sie sich jeden Moment öffnen, die breiten Hände hingen entspannt an den nackten Hüften, die Haut war gebräunt und schien dennoch fast durchsichtig zart. »Sie sagen, dies sei kein Modell, sondern wirklich lebendig?«
    »Ja, mehr oder weniger. Aber er ist in einer Art Joga-Trance oder Winterschlaf fixiert. Ich könnte ihn für Sie aktivieren, aber es ist zehn vor sieben. Wir wollen die anderen nicht am Tisch warten lassen, nicht wahr?«
    »Kommen Sie«, sagte Rydra. Es kostete sie eine Willensanstrengung, ihm den Arm zu bieten. Seine Hand war trocken wie Papier und so leicht, daß sie sich beherrschen mußte, um nicht zusammenzuzucken.

 
4.
     
    »Kapitän Wong! Ich bin entzückt.«
    Die Gräfin streckte die dicke Hand aus, die von rosagrauer Farbe war und an etwas Gekochtes erinnerte. Ihre schwammigen, sommersprossigen Schultern erbebten unter den Trägern eines Abendkleids, das ihre gedunsene Gestalt geschmackvoll genug umhüllte, das Groteske ihrer Erscheinung aber nicht verbergen konnte.
    »Hier im Stützpunkt haben wir so wenig Abwechslung, daß es ein Festtag ist, wenn jemand wie Sie zu uns kommt!« sagte sie lächelnd.
    Rydra hielt die weichen, schlaffen Finger so kurz in ihrer Hand, wie die Höflichkeit es gebot, und erwiderte das Lächeln. Die Stimme, die in kurzen, kleinen Kreischlauten über die fleischigen Lippen kam, überfiel sie aufs neue.
    »Erlauben Sie, Kapitän Wong, daß ich Sie mit unseren anderen Gästen bekanntmache. Das ist Doktor Keebling, diese Dame hier ist meine Freundin, Doktor Crane, und das ist mein Schwager Albert. Sie sind alle Kollegen meines Mannes und arbeiten mit ihm an diesen schrecklichen Dingen, die er Ihnen im Keller gezeigt hat. Ich wünschte, er würde seine private Sammlung nicht im Haus verwahren. Es macht mich schaudern, wenn ich daran denke. Ich glaube, er tut es, um den Tod seines Sohnes zu vergessen. Wir verloren unseren kleinen Jungen Nyles, wissen Sie – acht Jahre ist es jetzt her. Felix hat sich seitdem völlig in seiner Arbeit vergraben. Aber das ist eine schrecklich glatte Erklärung, nicht wahr? Kapitän Wong, finden Sie uns furchtbar provinziell?«
    »Keineswegs. Im Gegenteil, ich …«
    »Sie sollten. Aber schließlich kennen Sie uns noch nicht gut. Ach, die klugen jungen Leute, die hier oft zu uns kommen, diese phantasievollen, lebendigen jungen Wissenschaftler! Man sollte meinen, sie würden für geistiges Leben sorgen. Aber den ganzen Tag denken sie an nichts als an Methoden des Tötens. Es ist eine schrecklich ruhige Gesellschaft, wirklich. Aber warum sollte sie es auch nicht sein? Alle Aggressionen werden zwischen neun Uhr früh und fünf Uhr nachmittags freigesetzt. Trotzdem, ich glaube, es tut uns nicht gut. Phantasie sollte für etwas anderes als für Mordpläne gebraucht werden, meinen Sie nicht? Nun, ich bin wirklich froh, daß Sie und diese netten Jungen Ihrer Mannschaft heute abend zu uns gekommen sind. Sie bringen etwas Kühles und Angenehmes in diese abgestandene Atmosphäre, etwas Frisches und Munteres.«
    Ein Hausdiener brachte ein Tablett mit Aperitifs, und sie bedienten sich. Sobald sie konnte, entschuldigte Rydra sich und durchstreifte die Räume, um ihre Mannschaft zu kontrollieren. Alle schienen sich anständig zu benehmen, und der Steward bewachte sie wie eine Glucke ihre Küken. Auf einer leeren Terrasse im Obergeschoß, bedeckt von üppigem Pflanzenwuchs, fand sie Ron, der mit angezogenen Knien zwischen den Blattpflanzen saß.
    »Was machen Sie hier?«
    »Zu viele Leute.«
    »Hat es Ärger zwischen Ihnen, Mollya und Calli gegeben?«
    »Nein. Ich meine bloß …«
    »Bloß was?« Sie lächelte und lehnte sich gegen das Geländer, beobachtete ihn, wie er sein Kinn wieder auf die Knie sinken ließ. »Ich glaube, sie sind schon in Ordnung«, murmelte er. »Aber ich bin der jüngste. Vielleicht bin ich auch zu empfindlich. Vielleicht sollte ich glücklich und zufrieden sein.«
    »Vielleicht sollten Sie. Vielleicht nicht. Mögen die beiden

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