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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Abschrift – durchlesen: ein Brief von Xenia Sidorowna, eindeutig datiert nach der Abfassung ihres Testaments, in dem sie das schöne Grundstück für zweitausendvierhundert Rubel verkauft hatte.
    An wen wohl? Erraten, liebe Genossen: An Viktor Viktorowitsch Afanasjew.
    Damals, vor zwanzig Jahren – im Januar geschah solches – trat Babkin brüllend gegen die Wand seines Wohnzimmers, schwor, das Grundstück mit Dynamit in die Luft zu sprengen, was freilich nur den Erfolg gehabt hätte, daß man später einen Teil der Ausschachtungsarbeiten sparen konnte, bezeichnete Afanasjew als den größten Lumpen dieser Welt und beauftragte seinen Rechtsanwalt, Tante Xenias Brief anzufechten.
    Auch als Viktor Viktorowitsch eine von Tante Xenia unterschriebene Quittung vorlegte und erklärte, sie habe das Geld in bar kassiert, blieb Babkin dabei, dies alles sei Betrug, eine grandiose Fälschung, ein Verbrechen, das zum Himmel stinke.
    Genossen, wer kennt das nicht? Wenn man erst das Gericht einschaltet und dann die verschiedenen Instanzen bemüht, rollen einem die Rubel nur so davon, und die Rechtsanwälte umklammern heimlich die Bibel und bitten darum, dieser Prozeß möge noch lange währen.
    Genau so war's. Nach elf Jahren endlich – der Wert des Grundstücks war längst mehrfach an die Rechtsanwälte vergeudet worden – entschied das Oberste Gericht in Omsk, Viktor Viktorowitsch habe die besseren Argumente, den Brief und die Quittung, und sprach ihm endgültig das Grundstück zu.
    Danach lag Babkin mit einer Art Nervenfieber eine Woche lang im Bett, schwor, Afanasjew bei einer Begegnung im Wald oder am Fluß zu entmannen, und haßte niemanden auf dieser Welt heftiger als seinen Nachbarn.
    Und nun stand Viktor Viktorowitsch an Babkins Bett, heuchelte Ergriffenheit und war doch voll von Zufriedenheit.
    Babkin beschwor seine Muskeln, ihm zu gehorchen. Aufspringen und Afanasjew anspringen wollte er – aber sein Körper reagierte nicht. Er blieb steif, wie es sich für einen Toten gehörte.
    »Bevor du in die Hölle fährst, mein lieber Wadim Igorowitsch, denn selbst du wirst nicht glauben, daß dir der Himmel offen steht, nicht wahr«, fuhr Afanasjew fort, »ist es die Pflicht eines guten Menschen, wie ich einer bin, dir Klarheit auf den langen Weg mitzugeben. Machen wir es kurz, mein hingestreckter Freund: Natürlich gehört das Grundstück dir! Der Brief, die Quittung der ehrbaren Xenia Sidorowna, alle Dokumente waren gefälscht. Aber hervorragend gefälscht, gib es zu, Babkin. Selbst du bist darauf hereingefallen. Nun steht ein Häuserblock auf dem Grundstück, und ich kann von den Mieteinnahmen leben wie ein Bojar! Am Schwarzen Meer war ich voriges Jahr, in Sotschi, mein Lieber. Und nächstes Jahr leiste ich mir eine Fahrt nach Leningrad und werde auf der Ostsee segeln. Ein Leben ist das! Sieh ein, daß es gut war … Tot bist du nun, was hättest du von all den Rubelchen gehabt, na? Ich aber bin noch ein Baum voller Saft und werde hundert Jahre alt. Gesteh, es hat den Richtigen getroffen.«
    Wenn es eines Anstoßes bedurft hätte, um eine Wiederauferstehung Babkins möglich zu machen – diese Rede hätte sie in Sekundenschnelle ausgelöst. Wie eine Explosion durchbebte es Babkin, aber sein Körper blieb weiterhin unbeweglich. Für ihn war es der endgültige Beweis, daß er wirklich tot war und daß es sich damit bestätigte: Tote hören und erleben weiterhin alles, was auf Erden vor sich geht, ohne eingreifen zu können. Das Rätsel des ewigen Lebens war damit gelöst, nur mitteilen konnte man es niemandem mehr – das war die große Qual und Strafe. Auch das Himmelreich war nicht das, was einem die Popen versprachen. Genau betrachtet, war das ganze Leben eine einzige Lüge, man begriff es bloß nicht.
    Geh weg, Viktor Viktorowitsch, geh weg aus meinem Sterbezimmer, du Hundeschiß! Verdirb mir nicht das Glücksgefühl, aus dieser Welt entfernt worden zu sein. Wie herrlich wird es sein, euch alle nur noch aus der Ferne beobachten zu können und sich die Hände zu reiben, wenn ihr von anderen in den Hintern getreten werdet. Geh endlich weg von mir … zu sagen gibt es nichts mehr.
    Ein unerfüllbarer Wunsch war's. Afanasjew nahm eine kleine Wanderung durch das Zimmer auf, lief sich gewissermaßen Mut an und trat dann wieder an das Bett. Tief Atem holte er, kratzte noch einmal seinen linken Handrücken und stieß ein verlegenes »Ähä« heraus.
    »Da ist noch etwas, mein guter Wadim Igorowitsch«, sagte er, »was du

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