Babkin, unser Väterchen
warmer Strom. Schon als er in den Sarg geplumpst war, hatte es ihn durchzuckt. Ein völlig fremdes Gefühl war's, ein Kribbeln von den Fußspitzen bis zu den Haarwurzeln, ein Jucken, das man nicht wegkratzen konnte, weil man ja tot war.
Jetzt fahre ich aus meiner Haut, dachte Babkin zufrieden. Endlich! Bisher war meine Seele noch im Körper eingeschlossen … Jetzt aber werde ich emporschweben ins Paradies. Auf Nimmerwiedersehen, schnöde, verlogene Welt. Jetzt werde ich frei und glücklich sein …
Mischin kam zurück, einen Hammer und ein paar lange Nägel in der Hand. Schnell muß es gehen, dachte er. Wie das aus der Küche duftet! Nina Romanownas Künste am Herd sind bekannt. Nach gebratenen Hühnchen riecht es, mit einem Hauch Thymian und Salbei, und Zwiebelgemüse wird es auch geben und hinterher einen Früchtepudding … Genossen, das Wasser läuft einem im Mund zusammen.
Sicherlich wird man mich einladen zum knusprigen Hühnchen, der Sargmacher ist schließlich im Augenblick der wichtigste Mann, noch mehr als der Pope. Der Pope kann nur wortgewaltig reden, singen und segnen – am offenen Sarg! Was könnte er machen ohne Sarg? Nichts, sag' ich, gar nichts. Vorbei sind die Zeiten des Großen Vaterländischen Krieges, wo man die Toten in Säcken begraben mußte, weil jedes Holzbrett wichtig war für den Sieg.
Laß mir also ein Hühnerschenkelchen übrig, Nina Romanowna, auch ein Stückchen Brust kann es sein … Wenn der Sarg zugeschraubt ist, werdet ihr zufrieden sein. Auf dunkle Eiche hab' ich ihn gebeizt, nichts mehr zu sehen ist vom einfachen Fichtenholz. Erst wollte ich sogar Mahagonibeize nehmen, aber zu protzig ist das. Das traut den Babkins keiner zu, daß sie den Alten in Mahagoni begraben. Aber Eiche, hier in Sibirien, das ist auch schon ein Luxus, den man bestaunen wird.
Was ein geschickter Schreiner so alles mit Beize zaubern kann! Da müßte schon ein Holzfachmann kommen, um den kleinen Schwindel zu entdecken. Wer, Genossen, seid ehrlich, hat denn Ahnung von den verschiedenen Holzmaserungen? Nina Romanowna hat sie nicht … Vielleicht der Lehrer Pyljow, aber dem ist das alles egal. Ihm glaubt außerdem sowieso keiner, auch wenn ihm alle mit andächtigem Blick zuhören und so tun, als stünden sie auf der Treppe der Weisheit.
»Achtung, Babkin, es geht los!« sagte Mischin fröhlich ob des durch die Türritze duftenden Brathühnchens. »Ein paar Nägelchen, und deine Kiste ist wieder in Ordnung.«
Er kniete sich wieder neben den Sarg, direkt neben den Kopf Wadim Igorowitschs, setzte einen Nagel an das herausgebogene Brett und schlug zu.
Durch Babkins Körper zog wieder dieses warme Gefühl, verbunden mit dem Drang, die Arme auszubreiten und wegzufliegen wie ein Vogel.
Alles schön und gut, dachte er etwas verbittert, ich entschwebe, aber das Hämmern Mischins ist keine sphärische Begleitmusik. Wie erzählte uns doch Waninow, der heuchlerische Pope, immer: Ihr werdet hören Harfenklänge und Engelsstimmen … Nichts da: Mischin hämmert und treibt Nägel in den Sarg!
Ein richtiger Handwerker zeichnet sich dadurch aus, daß er es sich bequem macht und immer die kürzesten Wege einschlägt. So zog auch Mischin den Sargdeckel mit dem scheußlichen Blechkreuz zu sich heran, hämmerte weiter und hoffte, daß durch Babkins Körper der Sarg nicht so ausgebeult war, daß am Ende der Deckel nicht mehr paßte.
Eine Blamage wäre das! Man steht am Grab, Waninow hat den Segen gesprochen, man legt den Deckel auf, will ihn verschrauben, aber siehe da – er ist zu klein! Vieles kann man erklären, aber nicht, daß der Deckel über Nacht geschrumpft ist. Die Beteuerungen und Entschuldigungen von Handwerkern sind sonst wahre Kunstwerke an Beredsamkeit, aber hier würden sie nicht helfen.
Mischin stieg Hitze ins Gesicht. Den Sargdeckel ergriff er – was bewies, aus welch leichtem, minderwertigem Holz er bestand – stülpte ihn über Babkin und sah mit Entsetzen, daß seine ärgsten Befürchtungen zutrafen: Nichts paßte mehr.
»Völlig ausgebeult hast du den Sarg!« schrie Mischin auf Babkin hinunter und schwang wütend den Hammer. »Nichts als Ärger hat man mit dir – im Leben und sogar im Tod! Willst du mich blamieren? Bloßstellen, du Halunke? Aber ich, Igor Grigorjewitsch, werd's dir zeigen!«
Er warf den Deckel weg, beugte sich haßerfüllt über den armen Babkin, starrte ihn mit giftigen Blicken an, und die Erregung schüttelte Mischin so arg, daß seine Finger sich öffneten und ihm der
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