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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war das. Aber hier? Ein paar Kopeken kleben daran, mehr nicht. Ich werde Babkins gedenken müssen als Opfer seiner Witwe. Hat er das verdient? Immer mehr verroht die Menschheit …«
    Mischin kehrte zurück ins Sterbezimmer und setzte sich mißmutig auf die Kante des Sarges. Mit umflortem Blick sah er Babkin an, der unter seinen Lidern böse Blicke gegen ihn schoß.
    »Dein Weib«, sagte der Schreiner, »deine Witwe Nina Romanowna, ein wahres Aas ist sie! Wie konntest du sie nur heiraten? Wo hast du deine Augen gehabt, mein armer Wadim Igorowitsch? Die Galle selbst ist sie! Will dich begraben, so wie du bist, in diesem alten zerknitterten Anzug, mit dem Ölfleck auf dem Hemdkragen, mit den krumm gelaufenen Absätzen deiner Schuhe. Was für ein schreckliches Weib ist das! Dabei ließ sich alles so gut an: der Sarg, die Papierdecke, auf dem Deckel das Kruzifix aus bemaltem Blech – und plötzlich macht Nina Romanowna den Rubelsack zu! Babkin, in mir kommt echte Trauer auf, mein Herz beginnt zu zucken. Solch einen Heimgang hast du nicht verdient.«
    Er erhob sich, deckte Babkin auf und bewegte dessen rechten Arm. Die Leichenstarre hat nachgelassen, stellte Mischin fest, erstaunlich früh. Keine Schwierigkeiten gab es, Wadim Igorowitsch in den zu engen Sarg zu quetschen. Um Nina zu ärgern, nur darum, steckte Mischin zwei Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus.
    Aus dem Nebenraum stürzten die beiden Gehilfen herein, während der Lehrer Pyljow einen entsetzten Blick ins Zimmer warf. Mischin hörte noch, wie Walentina schluchzte, dann fiel die Tür wieder zu.
    »Bringen wir's hinter uns!« sagte Mischin. »Hinein in die Kiste mit ihm. Oben und unten packt ihr an, ich stütze ihn in der Mitte. Genau über den Sarg, Genossen, halten wir ihn, und wenn ich sage ›los‹, öffnen wir unsere Finger. Dann fällt er rein, und wir brauchen nicht zu drücken. Glotzt nicht wie zwei Schafe. So, wie er ist, kommt er rein. Seine Witwe verschmäht das schöne Hemd! Bei Babkin kann man wahrlich sagen: Er ist erlöst!«
    Sie packten ihn, wie Mischin angeordnet hatte, trugen ihn aus dem Bett zum Sarg und peilten die richtige Lage an. Mischin kommandierte »Los!« – und dann plumpste Babkin auf Holzwolle und Papierbettuch, schlug mit dem Kopf am Sargrand auf, aber er lag nach Mischins Meinung gut zwischen den Brettern, ein wenig zusammengestaucht zwar, aber dennoch vorteilhaft anzuschauen.
    Mischin war zufrieden, rieb sich die Hände und schickte seine Gehilfen wieder hinaus.
    »Warst nie ein schöner Mensch, Babkin«, sagte er und breitete die fürchterliche Papierdecke mit dem Moiremuster über Wadim Igorowitschs Körper. »Aber jetzt – vielleicht noch ein kleines Holzkreuz zwischen den Fingern – kann man dich fast eine Schönheit nennen. Kein verzerrtes Gesicht mehr, keine wutfunkelnden Augen, keine nach vorn gewölbten Lippen wie ein spuckendes Lama, keine zorngeschwellten Stirnadern … Frieden ist überall, seitdem du uns den Gefallen getan hast, umzufallen.«
    Er stopfte die Papierdecke an Babkins Seite in den Sarg, zupfte sie gerade, schob das mit Holzspänen gefüllte Kissen unter seinen Kopf – welch eine Schande, jammerte Babkin innerlich, so behandelt und so schändlich begraben zu werden – und faltete ihm die Hände über der Brust.
    Mag es nun Mischins lässige Arbeitsweise gewesen sein, oder kam es vom Hineinplumpsen des Körpers in den Sarg – das linke obere Seitenbrett hatte sich gelockert und stand etwas heraus. Mischin betrachtete es mit gerunzelter Stirn, klopfte mit der Faust dagegen, hieb dann mit drei gewaltigen Schlägen gegen das Brett, aber es ging keinen Millimeter zurück und sah äußerst häßlich aus.
    »Zu fett bist du!« schimpfte Mischin und starrte Babkin böse an. »Vollgefressen wie eine Mastsau! Drückt sogar den Sarg auseinander, na so was! Noch nie ist mir das passiert. Die meisten Menschen werden dünner, bevor sie sterben – aber du brätst dir natürlich deine eigenen Kartoffeln! Bleibt so fett wie zuvor, der Hamster.«
    Mischin kniete neben dem Sarg nieder, begutachtete die Wölbung und entschloß sich, mit Hammer und ein paar Nägeln das Brett wieder in Form zu bringen. Eigentlich hätte er Babkin dazu wieder herausnehmen müssen, aber Mischin tätschelte Wadim Igorowitsch nur die Wange und sagte: »Mein Alterchen, ein bißchen Hämmern regt dich jetzt nicht mehr auf.« Dann wühlte er in seinem mitgebrachten Werkzeugkasten.
    Durch Babkin zog ein ihm unbekannter

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