Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
fertig?«
    »Gleich …«, antwortete Babkin und ahmte Mischins Stimme nach, so gut er konnte.
    »Beeil dich … Laß das Brüstchen nicht kalt werden …«
    Welch fröhliches Miststück, dachte Babkin erschüttert. Wie lustig Nina plötzlich reden kann. »Äham« und »Mmm« hat sie in den letzten Jahren nur gesagt. Das Allernötigste. Aber jetzt! Trällert wie eine Lerche und hüpft herum wie ein Zicklein! Welch eine Freude – und bloß, weil ich tot bin. Babkin, der große Esel!
    Er reckte sich ein wenig, legte den Deckel über den Sarg, betastete das billige Kreuz aus Blech und empfand große Lust, Mischin so lange zu treten, bis der aus seiner Ohnmacht erwachte.
    »Später, mein Lieber«, sagte Babkin leise und rieb sich die Hände. Er lauschte dem Klang seiner Stimme nach und erklärte sich selbst zum wiederholten Male: Du lebst, Wadim Igorowitsch. Mach dir nichts vor. Du lebst! Nicht mehr davonlaufen kannst du … Du bist wieder mitten unter ihnen, unter diesen Hyänen, die deine Seele zerrissen haben. Babkin, du lebst!
    Er stieg über den noch immer reglosen Mischin hinweg, machte vor der Tür noch einmal drei Kniebeugen, ballte abwechselnd die Faust und spreizte die Finger, auch dreimal hintereinander, atmete tief durch, straffte sich, zog seine Hose hoch über die Hüften und drückte das Kinn an den Hals.
    Ihr lieben Babkins, ich komme zurück!
    Dann drückte er die Klinke herunter, stieß die Tür auf und überblickte den Tisch mit den dampfenden Hühnchen und dem Zwiebelgemüse.
    »Guten Appetit, ihr Wölfe!« sagte Babkin in die plötzliche Stille hinein.

3
    Eine Stille gibt es, die Unheil verkündet. Eine gefährliche Stille, wenn man so sagen will, in die dann der gesamte Lärm dieser Welt einbricht, das Trommelfell zerreißend, das Herz lähmend.
    Nicht anders war es, als Babkin, das gute, tote Väterchen plötzlich in der Tür zum Sterbezimmer stand und mit einem satten Ton: »Guten Appetit, ihr Wölfe!« sagte.
    Wie bei Mischin, der noch immer salzsäulenstarr mit dem Gesicht nach unten auf den Dielen lag und nicht aus seiner Ohnmacht erwachen wollte, breitete sich auch rund um den Tisch eine ruckartige Lähmung aus. Nelli fiel die Gabel auf den Teller, der Pope Waninow bekleckerte sich den Bart mit Zwiebelgemüse, Pyljow, der Lehrer, glotzte wie ein gewürgtes Kalb, Walentina schloß die Augen, Narinskij, der Nachbar Metzger, ließ seinen Mund weit offenstehen, ein wirklich nicht schöner Anblick, und Nina Romanowna, die Witwe ohne toten Ehemann, kippte stumm von ihrem Stuhl auf die Bretter, und niemand half ihr, weil alle versteinert waren.
    Aber nur ein paar Sekündlein war es so – dann brach ein Lärm aus, daß sich die Wände des Zimmers hätten biegen müssen. Alles sprang auf, schrie durcheinander, fuchtelte mit den Armen wild durch die Luft – ganz recht, wie losgelassene Irre benahmen sich alle.
    »Der Satan hat die Macht ergriffen!« brüllte der Pope mit gewaltigem Baß. Er riß sein Brustkreuz an der breiten silbernen Kette hoch und hielt es Babkin entgegen, als beginne jetzt eine Teufelsaustreibung. Von einem Wunder Gottes sprach Waninow nicht … Wer einen Babkin wieder zum Leben erweckte, das konnte nur der Satan sein!
    Narinskij hatte die Lage zuerst erfaßt. Er riß sich die Serviette vom Hals und stürzte hinaus.
    »Hiergeblieben, Isaak Guramowitsch!« schrie Babkin. »Lauf nicht weg, du Bock. Wo du dich auch verkriechst, ich hole dich heraus!«
    In panischer Angst raste Narinskij aus dem Haus und verschwand im Nachbargarten.
    Der Lehrer Pyljow rang nach Atem, sein Kopf war rot wie eine Tomate, vom Tisch war er mit einem medaillenreifen Sprung an die Wand gesprungen und klebte nun dort mit hervorquellenden Augen, immer nur »Unmöglich! Unmöglich! Unmöglich!« murmelnd.
    Nelli fiel auf die Knie, hob die gefalteten Hände zu Babkin hoch und schrillte: »Väterchen! Verzeih! Väterchen, töte mich nicht …«
    Und was tat Nina? Ja, was tat sie? Sie zog sich an ihrer Stuhllehne hoch, starrte Babkin in hellem Entsetzen an und rief verzweifelt: »Warum tust du mir das an? Warum tust du das?« Nur wer ihre Beichte kannte, konnte den Sinn dieser Worte verstehen.
    Als einzige benahm sich Walentina normal. Sie stürzte auf Babkin zu, umarmte ihn, schmiegte sich an ihn, küßte ihm das ganze Gesicht ab und weinte vor Freude.
    »Mein Täubchen«, sagte Babkin mit von Rührung erstickter Stimme. »Mein kleines Schwälbchen, nun wird alles gut zwischen uns. Väterchen wird in diesem

Weitere Kostenlose Bücher