Babkin, unser Väterchen
er um und rührt sich nicht mehr. Nachdenklich macht das doch!«
»Mich nicht. Er ist dahin … das ist die Hauptsache.«
Väterchen Pope rülpste, sah hinüber zu Walentina, die mit dem widerlichen Bodenspekulanten Afanasjew tanzte und es duldete, daß er seine widerwärtigen Hände auf ihre Hinterbacken preßte. Ein Anblick, der Waninow den weißen Bart sträubte. Eingreifen mußte man da. Benimmt man sich so unter den Augen der Kirche?
»Was bringt das Denken, Poscharskij?« sagte Waninow philosophisch. »Nur Falten auf der Stirn und Kummer in der Seele. Beides ist Babkin nicht wert.«
»Genau genommen dürfte er gar nicht tot sein!« Dr. Poscharskij ertränkte seinen Kummer in einem neuen Glas Wodka. »Wenn ich Babkin doch bloß sezieren dürfte. Ist er erst mal aufgeschnitten, weiß man mehr …«
Waninow, der Pope, winkte ab und stürzte sich wieder in das Gewühl der Trauernden. Morgen liegt Babkin in der Erde, da ist es gleichgültig, woran er gestorben ist. Ein schönes, feierliches Begräbnis wird's werden. Wir alle werden weinen, wie's sich gehört, und Nina, die arme Witwe, stützen, die herzzerreißend »Wadim! O mein Wadim!« rufen wird.
Die Schalmeienbläser der Parteikapelle werden spielen, Blistschenkow, der himmelschreiende Heuchler, wird eine Rede halten, worauf noch mehr geweint wird, dann wird Mischin den Sarg zuschrauben – und dann hinein mit Babkin in die Grube.
Amen.
Wir alle werden befreit sein. Ein guter Mensch, dieser Babkin, gemessen an uns. Aber wer weiß das schon außer uns selbst!
Alle werden wir glücklich sein, wenn sich erst der Erdhaufen über seinem Sarg wölbt …
Babkin erwachte aus seinem Schlaf, noch immer ohne Zeitgefühl, ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, so weit sein Gesichtsfeld reichte, und ärgerte sich sofort wieder.
Allein war er, keiner hielt Wache an seinem Totenbett, wie's sich gehörte, wenn einer ein ordentliches Leben hinter sich hat und ein so großes Erbe hinterläßt. Das enttäuscht, man muß das zugeben, Genossen, zumal hinzukommt, daß keinerlei Blumen auf Wadim Igorowitschs Bett lagen – bis auf die verwelkten Strünke, die Afanasjew ihm auf den Bauch gelegt hatte.
An dem Zustand dieser Blumen aber erkannte Babkin, daß eine Anzahl Stunden verstrichen sein mußte und daß es vermutlich Morgen geworden war.
So war's auch.
Der Schreiner Igor Grigorjewitsch Mischin erschien, und hinter ihm trugen zwei Gehilfen den Sarg ins Zimmer.
Dreihundert Rubel für diese Kiste, die nur vierzig Rubel wert war! Ein Betrug von zweihundertsechzig Rubeln wurde da neben ihm abgestellt. Babkin wäre grün vor Wut geworden, wenn er das gekonnt hätte.
Mischin betrachtete Babkin mit geübtem Blick, sah dann hin-über zum Sarg und wiegte den Kopf. Nicht nur, daß der Sarg das Billigste war, was überhaupt für einen solchen Zweck lieferbar war, er schien jetzt, bei eingehender Betrachtung des Toten, auch noch etwas eng zu sein.
Obwohl ein Dahingegangener seine unbequeme Lage nicht mehr spürt und auch keine Druckflecken mehr bekommt – Probleme verursacht noch immer das Hineinlegen, wenn der Sarg vorne und hinten und seitlich nicht paßt.
»Na na«, sagte Mischin, deutlich erschrocken. »Bist ja breiter, als ich dachte. Hast schon im Leben immer Schwierigkeiten gemacht, und nun hört's auch im Tode nicht mit dir auf.«
Mischin scheuchte die beiden Gehilfen aus dem Zimmer, wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte, holte dann einen Zollstock aus der Tasche und beugte sich über Babkin.
Hinweg! schrie es in Babkin. Igor Grigorjewitsch, ich spucke dich an! Muß ich das selbst als Toter noch ertragen, deinen widerlichen Geruch nach billigem Machorka und saurem Schweiß? Hören die Bestrafungen denn niemals auf? Warum läßt man mich so leiden? Ich bin kein musterhafter Mensch gewesen, bestimmt nicht; das Leben, liebe Genossen, zwingt einen oft dazu, anders zu handeln, als die Bibel es uns vorschreibt, aber zuviel an Strafe ist ungerecht! Seht doch nur, welche Gauner Afanasjew und Sawitzkij sind! Dagegen waren meine kleinen Gaunereien erträglich, gebt das zu!
Mischin maß gewissenhaft Babkins Körperbreite, verglich sie mit seiner Eintragung im Notizbuch und schüttelte wieder den Kopf.
»Möglich ist's, Wadim Igorowitsch«, sagte er darauf. »Ein bißchen quetschen muß man, aber das wird nicht anders sein, als wenn du mit der Eisenbahn von Tobolsk nach Nowo Sapkow fährst, zusammen mit Koffern, Kisten, Kartons und Säcken. Soll ich dir was
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