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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erzählen, Babkin? Drei Sommer ist es her, da sitz ich noch im Zug, eingepfercht zwischen dicken Bauernweibern, die Zwiebeln und Gurken fressen. Da tropft's plötzlich auf meinen Kopf, erst langsam, dann schneller, immer schneller. ›Na na, Genossinnen‹, sagte ich und blickte aus dem Fenster. ›Was ist denn das? Erklärt mir das!‹ – ›Nun ja – ‹, sagt so eine Fette neben mir – ›kein Wunder ist's.‹ Dabei frißt sie an einer dicken Zwiebel und schmatzt, als quetsche sie Wasser durch einen Leinenbeutel. ›Das ist Warwa … ‹ – ›Wer, bitte, Genossin, ist Warwa?‹, frage ich zurück. Und was sagt sie? ›Warwa ist mein Ferkelchen. Oben, über dir, Genosse, im Karton ist es. Eine kleine Blase hat es. So lang ist die Fahrt. Kümmern Sie sich nicht weiter darum, Genosse … ein paar Tröpfchen sind's ja nur … ‹ Was sagst du dazu, Babkin: In einem staatlichen Eisenbahnwagen wirst du von Schweinchen vollgepinkelt! Ein Skandal ist das doch! Sieh, so etwas geschieht dir nicht. Nur ein wenig eng wirst du liegen … das wollte ich dir damit klarmachen.«
    Mischin maß auch noch einmal die Länge von Babkin und war erfreut, daß der Sarg, diese elende Kiste, wenigstens hier paßte. Er klopfte noch einmal das Kopfkissen zurecht, sehr dumpfe Laute waren es, die Babkin verrieten, daß keine Federn im Bezug steckten, nicht einmal Kapok oder Wollflocken, sondern einfache Hobelspäne, Abfall, die Mischin sonst in seinem gemauerten Ofen verbrannte. Auch als er die wie wertvolles Moiré aussehenden Laken und Überdecken zurückschlug, raschelte es verdächtig.
    So klingt kein Stoff, durchzuckte es Babkin. Keine Seide knistert so laut. O nein, so hohl kann überhaupt kein Stoff klingen. Und plötzlich wußte er's: Papier ist es … zu glänzender Seide gepreßtes Papier, weiter nichts! Wer es nicht anfaßt, wer's nur sieht, glaubt, der liebe Verblichene gehe, in wertvollen Stoff eingehüllt, in die Ewigkeit.
    Man wagt es, Babkin, den reichen Babkin, in Papier zu begraben!
    Aber Seide wird man berechnen! Ist erst der Deckel zu, wer will da noch kontrollieren?
    Igor Grigorjewitsch Mischin, kein Höllenkessel ist groß genug für dich! Im Pech sollst du braten!
    »Warte noch ein Weilchen, Babkin«, sagte Mischin und klappte den Zollstock zusammen. »Mit der Witwe ist noch ein Wörtchen zu reden. Wie sollst du losmarschieren? In einem Hemd oder in einem schwarzen Anzug oder so, wie du da liegst? Nina Romanowna wird es entscheiden. Ein schönes Hemdchen habe ich bei mir, gebleichter und bedruckter Nessel, billig wie ein Hühnchenschenkel, aber für dich, Babkin, soll's dreißig Rubel kosten! Betrug, wem Betrug gebührt, mein Guter. In deinem Leben hast du genügend andere übers Ohr gehauen …«
    Er ging hinaus und hinterließ einen Babkin, dem schwindlig wurde vor Zorn. Was tun, dachte er, wenn er mir dieses Hemd überzieht? Nichts kann ich tun – welcher Tote hätte sich jemals wehren können! Nina, mein Weibchen, mein verfluchtes, lehne das Hemd ab. Höre meinen Ruf aus der Unendlichkeit … In meinem schwarzen Festtagsanzug laß mich begraben werden.
    War es, daß Nina Romanowna tatsächlich so etwas wie eine innere Stimme hörte – wir werden's nie ergründen. Jedenfalls sagte sie zu Mischin, der sein Hemd anbot, mit strenger Stimme: »Nichts da, Igor, Grigorjewitsch! So, wie er daliegt, wird er begraben!«
    »In seinem Arbeitsanzug?« rief Mischin entsetzt. »Nina Romanowna, die Würde des Todes sollte man anständig bekleiden! Ein glänzendes Seidenhemd …«
    »Sein Liebstes war sein Arbeitsanzug, wer weiß das besser als ich! Er behält ihn an! Was soll Wadim Igorowitsch mit einem Seidenhemd? Nie hat er eins getragen …«
    »Er war ja auch noch nie tot!« gab Mischin zu bedenken. »Ein Arbeitsanzug! Soll etwa ein Kanalarbeiter mit seinen langen Gummistiefeln begraben werden?«
    »Wenn er's will!«
    »Wer kann ihn dann noch fragen? Aber seine Witwe, die muß es wissen.«
    »Und ich weiß es!« schrie Nina Romanowna erbost. »Babkin, unser Väterchen, war das Herz des Basars. Jeder kannte ihn in seiner Kluft! Also trägt er sie auch im Tod!«
    »Schlimm ist es«, stöhnte Mischin, als er an Waninow, dem Popen, vorbeiging, der sich wieder eingefunden hatte, zusammen mit Dr. Poscharskij und der trauernden Familie, »wenn Witwen im Geiz baden. Wann hat unsereiner schon Gelegenheit, einen so wohlhabenden Mann wie Babkin unter die Erde zu bringen? Für immer in Erinnerung wird er bleiben: Ein gutes Geschäft

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