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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gekühlt und erfrischend, und nun zum drittenmal erlebten, daß jemand mit allen Anzeichen des Entsetzens aus Babkins Haus flüchtete.
    Jetzt war's ihr Meister. Er rannte an ihnen vorbei, schrie ihnen zu: »Folgt mir, Genossen, folgt mir! Die Erde bricht auf!« – was sie für völlig idiotisch hielten. – Aber als Mischin weiterrannte, folgten sie ihm gehorsam, die Hühnchenstücke in beiden Händen mitnehmend.
    »Sie sehen, Babkin«, sagte derweil Dr. Poscharskij im Sterbezimmer mit akademischem Ernst, »Ihr Weiterleben erzeugt weniger Freude als gründliches Entsetzen. Wie konnten Sie nur wieder auferstehen? Sie haben das Privileg Christi angetastet! Schämen Sie sich nicht?«
    »Bairam Julianowitsch, ich habe den Verdacht: Ich war gar nicht tot!« antwortete Babkin betroffen. Mit Christus wollte er sich auf gar keinen Fall anlegen; es gab in der nächsten Umgebung genug zu tun.
    »Nicht tot?« Dr. Poscharskij starrte Babkin böse an. »Unmöglich!«
    »Ich gehe, höre, rieche, spreche …«
    »Wieder! Das ist ja das Phänomen! Keine Atmung, kein Puls mehr, der Mensch ist tot. Das habe ich bescheinigt. Und nun stehen Sie auf, Wadim Igorowitsch, und geben die Medizin der Lächerlichkeit preis! Ist das edel?«
    »Nein, Bairam Julianowitsch. Ich schäme mich ja auch – aber wichtiger ist wohl, daß ich lebe!«
    »Wichtiger für Sie, Babkin! Aber uns alle stürzen Sie damit ins Unglück.«
    »Das will ich meinen.« Babkin zwinkerte mit den Augen. »Nicht ausreichen wird mein weiteres Leben, bei allen ihre Strafe abzukassieren. Auch bei Ihnen, Dr. Poscharskij.«
    »Aha! So wollen Sie das drehen! Babkin, Sie Lügner! Nicht ich habe Sie getäuscht – Sie haben mich in hinterhältigster Weise hintergangen! Sie sind tot und leben dennoch. Sagen Sie selbst, ist das nicht eine Gemeinheit? Geht man so mit einem Mediziner um? Was fällt Ihnen überhaupt ein, wieder zu leben? Warum sind Sie nicht dort geblieben, wo Sie waren!«
    »Wer kann ruhig liegen, wenn einem Mischins Hammer auf den Kopf fällt? Sehen Sie doch, Doktor – ich kriege eine Beule …«
    »Einem Toten macht ein Hammerwurf nichts aus!«
    »Das wäre zum Beispiel ein Beweis, daß ich gar nicht tot war.«
    »Nichts ist bewiesen! Höchstens könnte man die Angelegenheit damit erklären, daß Sie in einem Schwebezustand verharrt haben, wo die Seele normalerweise den Körper verläßt. Eine durch, ich weiß nicht was, entstandene Verzögerung der Trennung von Körper und Geist hat Sie wieder lebendig werden lassen. Mag sein, daß so etwas öfter vorkommt, als man denkt, aber bisher ist noch niemand aus diesem Zustand zurückgekehrt, um darüber zu berichten. Sie sind der Erste, Babkin. Für die Wissenschaft sind Sie jetzt unersetzlich. Ein Buch werde ich über Sie schreiben. Jawohl, ein dramatisches Buch, das alle bisherigen Forschungen in Frage stellt. Ein entgleitender Hammer holt die Seele in den Körper zurück – was kann diese Ungeheuerlichkeit noch übertreffen! Das Babkinsche Phänomen – unter diesem Namen werden Sie unsterblich werden, Wadim Igorowitsch!«
    Dr. Poscharskij legte den Arm um Babkin und führte ihn zum Bett. »Setzen Sie sich, ruhen Sie sich aus, atmen Sie tief durch … So eine Wiedererweckung geht ans Herz. Unterdessen gehe ich hinaus und beruhige Ihre Familie. Keine Aufregung, Wadim Igorowitsch, nicht in den nächsten Tagen, bis ich Ihren Blutdruck unter Kontrolle habe.«
    Er drückte Babkin auf die Bettkante, und dann verließ der Arzt schnell das Zimmer. Ein raffinierter Bursche war er, fürwahr … Alle, die Babkin im Leben betrogen und belogen hatten, bekamen nun Zeit, zu verreisen, sich zu verstecken oder zur Verteidigung zu rüsten, auch Poscharskij selbst. Babkin war sein erster Scheintoter und hoffentlich auch der letzte, und daß es gerade ihn, Bairam Julianowitsch, treffen mußte, war ein grauenhaftes Schicksal.
    Man mußte einfach dabei bleiben: Babkin war ein Phänomen, unerklärlich wie der Begriff Unendlichkeit. Das Firmament war unendlich, grenzenlos waren die Sterne, ringsum Milliarden Lichtjahre weit entfernt und weiter, immer weiter … Wer kann das begreifen?
    Nur so, als eine Art Weltall-Rätsel, kann man Babkin hinstellen, um nicht seine Glaubwürdigkeit als Arzt zu verlieren. Und Waninow, der Pope, muß bestätigen. Irgendwo gibt es bestimmt auch dafür eine Bibelstelle.
    Babkins Familie hatte sich etwas beruhigt. Man saß wieder um den Tisch herum, allerdings nicht, um weiterzuessen, sondern um gemeinsam die

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