Babkin, unser Väterchen
was man mir angetan hat …«
»Sie haben Nina nie betrogen? Nie?«
»Sprechen wir lieber von der Zukunft, Doktor«, sagte Babkin ausweichend. Keinem war geholfen, wenn man nun anfing, über ihn zu reden. »Wie soll es weitergehen?«
»Wie bisher …«
»Was muten Sie mir zu? Dumm wie bisher soll ich zusehen, wie Nina zu Narinskij schleicht. Wie Waninow, der heuchlerische Pope, mein Täubchen Walentina zerrupft – jedesmal nach dem Gesangsunterricht, nach dem sie die Noten ordnen muß. Die Noten ordnen! Und meine Tochter Nelli … von Sapanow, dem Briefträger, nimmt sie nicht nur die Post an. Von Sapanow, Doktor, dem häßlichsten Mann, den ich kenne und der sogar mit Nina Romanowna … Und weiter, Doktor: Ahnen Sie, was dieser Widerling Afanasjew mir gestanden hat? Wäre ich nicht schon tot gewesen, ich hätte tot umfallen können vor Zorn. Und so soll das weitergehen? Was ist das für ein Rat, den Sie mir da geben, Bairam Julianowitsch?«
»Ein weiser, Wadim Igorowitsch, denn nichts dergleichen wird sich jetzt wiederholen. Ein ruhiges Leben wird es werden …«
»Nie! Neue Schweinereien wird man hinter meinem Rücken ausbrüten. Wer einmal betrogen hat, läßt es nicht sein … Wie ein Bär ist er, der Honig geleckt hat. Nein, die Welt um mich herum ist verdorben und wird es bleiben, auch wenn man mich streicheln wird und kuhäugig ›Väterchen‹ zu mir sagt. Wem kann man noch vertrauen? Wem?«
»Schwer wird's werden, das erkenne ich an. Aber nun leben Sie wieder, Babkin, und müssen diese Welt ertragen. Einfacher wäre es gewesen, Sie hätten meinem Totenschein Folge geleistet.«
»Es lag nicht an mir, Doktor, glauben Sie's mir. Immer wollte ich mich bemerkbar machen, schon, als Sie mich untersuchten und sagten: ›Er ist hinüber. Herzversagen. Ihr könnt euch freuen … ‹ Schon da wollte ich mich rühren, aber mein Körper versagte. Stumm und steif mußte ich daliegen und alles sehen und hören.« Babkin preßte das Kinn gegen den Hals. »Übrigens sagten Sie tatsächlich: ›Ihr könnt euch freuen!‹ Hört sich so das Beileid eines Arztes an? Bairam Julianowitsch, Sie wußten eine ganze Menge, nicht wahr?«
»Ein Arzt hat Schweigepflicht, Babkin.« Dr. Poscharskij kam ans Bett und holte aus seiner Tasche eine flache, polierte Nickeldose. »Legen Sie sich hin, mein Freund.«
»Hinlegen? Warum? Ich habe genug gelegen.« Babkin stemmte die Beine auf den Boden, als wollte er dort Wurzeln treiben. »Herumlaufen werde ich wie ein Stier und ihnen allen, diesen Halunken, die Hörner ins Gedärm stoßen!«
»Eben darum ist es nötig, daß Sie sich hinlegen. Eine Injektion will ich Ihnen geben, Wadim Igorowitsch. Die soll Sie munter und kräftig machen, Ihr Herz anregen, die Muskeln stärken, das Blut fröhlich durch die Adern treiben …«
»Bairam Julianowitsch, Sie sind ein wirklicher Freund.« Babkin legte sich auf das Bett. Von jeher werden die Ahnungslosen betrogen, belogen und ausgenutzt. »Sie unterstützen meine Rache! Brav so!«
»Drehen Sie sich auf den Bauch!« Dr. Poscharskij trat näher und zog die Spritze auf, hielt sie gegen das Licht und drückte die Luft aus dem Glaszylinder. »Und Hose runter! Für einen Arzt ist der Hintern ein unersetzlicher Körperteil. Nichts kann so gut Injektionen aufnehmen wie er. Babkin, jetzt kommt ein Stichchen, und wenn Sie wieder aufstehen, können Sie ganze Wälder ausreißen …«
Die Injektion war kaum zu spüren, aber statt daß Babkin nun mit einem Satz hochspringen und seinen Rachefeldzug beginnen konnte, überfiel ihn jähe Müdigkeit und zog ihm die Lider hinunter, als seien sie mit Blei gefüllt. Ohne ein weiteres Wort schlief er ein … Kein Schlaf war das mehr, schon eher eine Betäubung.
Dr. Poscharskij wartete eine Minute, klopfte ihm dann auf das nackte Gesäß, erlebte keine Reaktion, drehte Babkin daraufhin um und deckte ihn mit der schrecklichen schwarzen Trauerdecke wieder zu.
Sein Werk war getan. Was die liebe Verwandtschaft nun mit Wadim Igorowitsch anstellte, war nicht sein, Poscharskijs, Problem.
Er packte sein Spritzenbesteck wieder ein und trat hinaus in die Wohnstube. Dort saßen erwartungsvoll die Babkins und starrten ihn an. Pyljow, von bewundernswerter Nervenstärke, aß sogar ein Schüsselchen von der Nachspeise.
»Was … was ist?« fragte Nina Romanowna leise.
»Er schläft wie ein Toter.«
»Das ist gut. Wie ein Toter! Das soll er auch bleiben.« Pyljow leckte sich über die weibisch wirkenden Lippen. »Kann man
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