Babkin, unser Väterchen
gewesen!
»Nun?« fragte Nelli und deutete mit Blicken an, daß Bobo von Babkins zwischenzeitlicher Auferstehung keine Ahnung hatte. »Hast du bei Väterchen gebetet? Soll ich dich ablösen, Tinaschka?«
»Nein, laß ihn in Frieden ruhen, Schwesterchen«, antwortete Walentina geistesgegenwärtig. »Neue Kerzen habe ich auch angezündet …«
»Kann man ihn sehen?« fragte Bobo eifrig. »Von einem lieben Menschen möchte auch ich Abschied nehmen.«
»Geh hinein.« Nina Romanowna nickte schwer.
Aber Walentina rief schnell: »Nein«, beugte sich über die Mutter und flüsterte ihr zu: »Väterchen schnarcht. Ein Toter schnarcht doch nicht!«
»Laß es lieber sein, Bobo Alexandrowitsch«, erklärte Nina schnell, und Pyljow, etwas ahnend, zog den Milizionär am Uniformrock wieder auf den Stuhl zurück. »Walentina sagt mir eben, er habe sich sehr verändert. Die Hitze, wissen Sie, Bobo! Kein erfreulicher Anblick mehr. Morgen früh, wenn noch der Tau liegt, wollen wir ihn zum Friedhof bringen. Sie sind dazu eingeladen, Genosse Panin.«
»O danke, danke. Weiß die Ehre zu würdigen. Das wird gewiß ein großes Begräbnis werden! Wer kannte Babkin nicht? Ganz Ulorjansk wird auf den Beinen sein. Ein richtiger Festtag.«
Bobo Alexandrowitsch blieb sitzen, trank Wodka, aß eine gefüllte Zwiebel, jetzt zwar kalt, aber dennoch eine delikate Sache, verdrückte vergnügt die frischen Butterbrezeln, die Nelli gerade aus dem Ofen geholt hatte, und blinzelte Pyljow liebevoll an.
Ein dummer Mensch war er, was Pyljow ungemein störte, aber auch ein lieber Mensch, jenseits aller Arglist, was ihn wiederum sympathisch machte. Seinen Beruf als Polizist betrachtete er als eine Ehre. Wenn er seine Uniform trug, fühlte er Moskau in der Brust. Ein guter Beamter war Bodo Alexandrowitsch, immer geradeaus sehend, nie um die Ecken – so wie ein Beamter eben sein soll. Jedermann lobte ihn, und das ist bei einem Polizisten absolut nicht selbstverständlich, gebt es zu, Genossen!
Als Nina einmal in die Küche ging, um neuen Wodka zu holen, folgte ihr Pyljow.
»Warum geht Bobo Alexandrowitsch nicht?« zischte sie ihn an. »Sitzt herum, frißt und säuft und stiehlt uns die Zeit. Die Stunden verrinnen …«
»Keine Aufregung, Nina Romanowna«, sagte Pyljow beschwichtigend. »Sehen wir das Gute daran: In der Dunkelheit ist unser Vorhaben leichter zu bewerkstelligen. Morgen in der Frühe, wenn Väterchen Babkin hinabgelassen wird ins Grab, ist alles vorbei. War eine gute Reaktion eben von dir … die Hitze, kein schöner Anblick mehr … Bobo ist ein Gefühlsmensch …«
Endlich, nach drei Stunden, verließ auch Panin, der Milizionär, wieder das Haus. Hinter den unendlichen Wäldern rund um Ulorjansk versank glutvoll die Sonne, der Boden atmete noch die Hitze des Tages, aus den Gärten zog vielfach gemischter Duft durch die Fenster.
Im Schlafzimmer saß Babkin wieder auf seinem Bett, etwas schwankend noch, benommen und wie vor den Schädel geschlagen, aber von Minute zu Minute munterer werdend. Die Milch hatte die Wirkung der Injektion abgeschwächt, ein schweres Erwachen war's, aber Wadim Igorowitsch rechnete das noch zu den Nachwirkungen. Vom Scheintod zurück ins Leben ist ein gewaltiger Schritt, das muß man einsehen. Man muß es dem Körper Schritt für Schritt klar machen: Du bist wieder da! Hör zu, Lunge, du lebst … Hör zu, rechtes Bein, du lebst … Jawohl, glaub es nur, linker Arm, du lebst – und so weiter, bis der ganze Körper weiß: Du lebst! So einfach ist das also gar nicht, das Auferstehen!
Aber dann, wenn der Körper das begriffen hat, dann – o je! Babkin ballte die Fäuste und freute sich, daß er sie wieder ballen konnte.
Und jetzt, dachte er, lauft weg in alle Himmelsrichtungen, ihr Lügner und Betrüger! Babkin kommt und wird die offenen Rechnungen einkassieren! Sagen wird er euch, was ein betrogenes Leben ist …
Erfahrene Kriegsveteranen können es bestätigen: Äußerst selten kommt es vor, daß eine zweite Granate in einen schon vorhandenen Granattrichter fällt. Bei einem heftigen Granatfeuer ist man deshalb sicherer, wenn man in einen gerade entstandenen Trichter springt und, sich dem Schicksal ergebend, abwartet.
Wie gesagt, selten ist's, wenn doch einmal in das gleiche Loch eine neue Granate fällt. Aber genau das erlebten die Babkins, als sie nach einem üppigen Abendessen mit einer Tschaban – Suppe – das ist ein herrliches Gericht aus Hammelfleisch, Zwiebeln, Kartoffeln, Tomaten und allerlei
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