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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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mich.« Pyljow stützte den Kopf in beide Hände. »Daß ich so enden muß! Erster Lehrer sollte ich werden, Leiter der Schule – welche Ehre für mich. Aber nun werde ich unter einem Balken hängen! Ihr Lieben alle, blickt weg, wenn ich jetzt weine.«
    »Und was wird aus mir?« rief Nelli verzweifelt. »An mich denkt keiner! Soll ich mich neben Boris an den Balken hängen? Oh, warum haben wir das alles nur getan … oh, warum!«
    »Warum! Warum! Warum!« Nina Romanowna zog sich an dem neben ihr stehenden Stuhl hoch und kam auf die Beine.
    Einen verwirrten Blick hatte sie, aber den hatten sie alle bis auf Walentina. Die bemühte sich allerdings redlich, auch entsetzt dreinzusehen. Grund dazu hatte sie schon. Nur an den Popen Waninow brauchte sie zu denken, um zu ahnen, was Babkin, ihr Väterchen, mit ihm anstellen würde.
    »Getan ist getan«, fuhr Nina fort. »Kann man's noch ändern? Wer hält Wadim Igorowitsch jetzt auf? Was ist ein menschenfressender Tiger gegen ihn?«
    »So ist es!« sagte Pyljow mit schwerer Zunge. »Nur ist der Unterschied der: Einen Tiger darf man erschießen …«
    »Babkin hat einen alten Militärrevolver versteckt«, rief Nina, plötzlich voller neuer Hoffnung. »Im Kleiderschrank, in einem Doppelboden …«
    »Ah! Er hat einen Doppelboden, der Halunke!« schrie Pyljow. »Uns will er jagen, und selbst legt er sich Verstecke an! Sind wohl viele unbekannte schwarze Rubelchen im Doppelboden, was? Schädigt den Staat und läuft mit der Moral herum, als wär's ein Hemd, das ihm aus der Hose hängt! Betrügt die Gemeinschaft des Sowjetvolkes – und will uns strafen, weil wir kleinen menschlichen Schwächen erlegen sind! So einer ist er also! Hinweg mit ihm!«
    Aber wie nun?
    Bis zum Morgen blieb nicht mehr allzuviel Zeit, vor allem, wenn man Babkin ästhetisch umbringen wollte.
    Arune Jelisaweta stockte der Atem, als Babkin nach kurzem Anklopfen das Haus betrat und ihr plötzlich gegenüberstand. Dann tat sie einen tiefen Seufzer, lehnte sich an die Wand und bekreuzigte sich. Nur so kann man sich vor Geistern schützen.
    »Wo ist Isaak Guramowitsch?« fragte Babkin und rollte mit den Augen.
    Arune erbleichte, aber im Gegensatz zu Nina Romanowna fiel sie nicht um. Ein Geist, der sprach, ein Toter, den sie vor ein paar Stunden noch am Bett beweint hatte, lief herum … Zu ungeheuerlich war das!
    Mit Wohlwollen betrachtete Babkin den prallen Busen der Narinskaja, ihr mädchenhaftes Gesicht und ihre runden Hüften. Nichts Unbekanntes war das alles für ihn, aber für einen Wiedererwachten dennoch ein neues Vergnügen.
    »Wo?« fragte er wieder und etwas härter.
    »Bei Komolow in der Wirtschaft …«, stammelte das dralle Weibchen und schlug wieder ein Kreuz. Wer hat schon Gelegenheit mit einem Geist zu reden!
    »Aha! Bei Komolow.« Babkin legte die rechte Hand auf Arunes Brust und stellte mit großer Zufriedenheit fest, daß ihn solches wieder erregte.
    Voll zurück bin ich im Leben, dachte er fröhlich. Dr. Poscharskij ist doch kein Nichtskönner, sein Spritzchen hat Wunder gewirkt. »Ich werde auf ihn warten.«
    Ohne Arunes Antwort abzuwarten, ging er ins große Zimmer, setzte sich in einen Korbsessel und streckte die Beine von sich. Arune folgte ihm schwankend, wie hypnotisiert.
    Das Haus des Metzgers Narinskij war gut eingerichtet, nicht so wertvoll wie das des reichen Babkin, aber gemütlich und besser als der Durchschnitt der Ulorjansker Häuser. Ein Metzger verdient gut an dem, was er beiseite schaffen kann, trotz aller staatlicher Kontrollen. Mehl und Wasser strecken jede Wurst, und Fett und zu Pulver zermahlene Knochen tragen zum Wohlstand bei, wenn man sie ebenfalls daruntermischt. Man muß sein Handwerk nur verstehen.
    Narinskij war ein guter Metzger – das sagt schon alles. Wen wundert's, daß es ihm gut ging? Nur sein Geiz verhinderte ein fröhliches Leben, nach dem sich vor allem Arune sehnte, ein Frauchen, so knackig wie ein reifes Äpfelchen.
    »Wo … wo kommst du her?« wagte Arune mit ganz leiser Stimme zu fragen. Ein wenig irre war sie geworden: Von einem Geist, der einem an die Brust faßt, und man merkte es sogar, hatte man bisher noch nichts gehört oder gelesen. Geister sind Luft, entmaterialisiert – aber Babkins bekannte Hand und seinen bekannten Griff hatte sie voll gespürt. Wer ist da nicht verwirrt? »Du … du wirst doch morgen begraben …«
    »Geplant war's so. Aber nun bin ich hier und warte auf Isaak Guramowitsch.«
    »Du … du bist nicht tot?«
    »Komm her

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