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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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machte sich auf den Weg zu Komolow. Nur ein paar Schritte waren es; die Wirtschaft lag eine Straße weiter um die Ecke herum.
    Jeder in Ulorjansk wußte es: Narinskij war ein starker Mann. Wer einem Hammel mit der bloßen Faust die Stirnknochen zertrümmern kann, ist ein starker Mann. Narinskij hatte es einmal vorgeführt, und alle hatten begeistert geklatscht.
    Um so mehr verblüffte es alle Gäste bei Komolow, daß Isaak Guramowitsch aschfahl im Gesicht wurde, als Babkin in den Schankraum trat und laut sagte:
    »Narinskij, ich bringe dir die Verdammnis!«
    »Mein Gott, er lebt ja!« schrie Komolow auf und umklammerte den Thekenrand. »Wadim Igorowitsch, du hast doch im Sarg gelegen …«
    »Davon später!« Babkin winkte ab. Er sah sich um und freute sich, daß alle ihn voller Entsetzen anstarrten. »Wißt ihr, was Narinskij ist? Ha, ihr ratet es nie!«
    »Wadim Igorowitsch«, sagte Narinskij mit zugeschnürter Kehle, »laß uns über alles diskutieren. Alles kann man bereden, glaub es mir, und die Dinge bekommen ein anderes Gesicht.«
    So hatte man den starken Narinskij noch nie sprechen hören, aber Babkin, mutig wie noch nie in seinem Leben, hieb mit der Faust auf die Theke. Ein Zeichen war das … Alles rückte von ihm und Narinskij ab, bildete einen Kreis um sie und wartete nun gespannt auf die kommenden Dinge.
    Mikjew, der im Großen Vaterländischen Krieg Sanitäter gewesen war, zog sogar seine Jacke aus und legte Pflaster vor sich auf den Tisch. Die trug er immer bei sich; wenn man ihn deswegen befragte, sagte er stolz: »Man wird Sanitäter und bleibt es sein ganzes Leben lang. Kein Beruf ist das … eine Berufung ist's!«
    »Keiner weiß, was Narinskij ist?« schrie Babkin durch den Raum. »Ich sage es euch: ein Bär mit einem Hirschgeweih! Welch ein komisches Tier, Genossen! Aber nun gibt es dieses Wesen. Und wer hat ihm das Geweih aufgesetzt? Arune Jelisaweta, sein zuckriges Weibchen. Sitzt hier, der Ahnungslose, bei einem Gläschen Wodka, und was unternimmt unterdessen sein Täubchen? Lädt sich Kavaliere ein, die sie ein zärtliches Kaninchen nennen …«
    »Lüge!« brüllte Narinskij auf. Er sprang hoch wie ein Gummiball, warf die Arme in die Luft und wirkte wie ein angriffslustiger Gorilla. »Lüge! Niemand ist treuer als Arune! Wer etwas dagegen sagt, bete seinen letzten Psalm …«
    »Singe das Hohelied Salomos und frag einmal Gurjuk, Julian Viktorowitsch, Ingenieur der neuen Silbermine … Kommt daher mit Blumensträußen und Krimsekt und pfeift schon an der Tür: ›Ins Bettchen, es kommt der Mann vom Mond!‹ Und flugs deckt Arune die Matratze auf …«
    Narinskij starrte wild um sich, machte dann einen Sprung auf Babkin zu, aber der stand wie ein Fels und erwartete ihn.
    »Laß uns aufeinander draufschlagen, Wadim Igorowitsch!« schrie der Metzger. »Ein ehrlicher Kampf ist das! Aber diese Lüge …«
    »Die Welt ist schlecht.« Babkin griff nach Narinskijs hocherhobenen Fäusten und drückte sie herunter. »Die Hände sollten wir uns geben – als Brüder im Leid, Isaak Guramowitsch. Beide sind wir betrogen worden von unseren Frauen. Das hebt das Problem zwischen uns auf.«
    Auch wenn Narinskij mehr von Ochsen, Hammeln und Kälbern verstand als von geistvollen Überlegungen, das kapierte er. Mit rollenden Augen blickte er Babkin an, um sich noch einmal davon zu überzeugen, daß dessen Behauptungen wirklich keine billige Rache waren. Aber als Babkin ihm ganz freundschaftlich zunickte, stieß der Metzger einen dumpfen Seufzer aus, zog die Schultern hoch und stürmte wie ein angestochener Stier aus Komolows Wirtschaft.
    »Das wär's, liebe Brüderchen«, sagte Babkin gemütlich und rieb sich die Hände. »Kommt wieder näher. Nicht hier gibt es jetzt blaue Flecken … Isaak Guramowitsch wird sie auf Arunes Haut malen!«
    Zufrieden verließ er das Lokal, stellte sich auf die Straße in den leichten, warmen Sommerwind, atmete die köstliche Luft ein, die aus den Wäldern herüberwehte, und hakte auf der Liste in seinem Kopf den Namen Narinskij ab.
    Wer nun? dachte er tatendurstig. Ihr verdammten Halunken, wer ist der nächste?
    Afanasjew wohnte zu weit weg, am anderen Ende der Stadt – für ihn brauchte man Zeit. Jetzt war es Abend; man mußte sich um die kümmern, die in der Umgebung hausten. Vielleicht Mischin, den Sargmacher?
    Morgen, dachte Babkin, er ist von allen der kleinste Lump. Sapanow, Bobo, Sawitzkij? Sie alle waren nicht unbedingt so wichtig, um sie jetzt aufzusuchen, wenn auch

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