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Babkin, unser Väterchen

Babkin, unser Väterchen

Titel: Babkin, unser Väterchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schwarze Locken hatte er auf dem Kopf. Vor allem aber war er jünger als Narinskij und viel jünger als Babkin, so um die Dreißig herum und damit auch noch jünger als Arune Jelisaweta. Verblüfft blieb er in der Tür stehen und betrachtete Babkin wie einen verirrten Regenwurm.
    »Wer sind denn Sie, Genosse?« fragte er etwas hochmütig. »Keine Geschäftszeit mehr. Belästigen Sie nicht die Frau des Hauses. Denken Sie früher an Ihren Bedarf. Scheußlich – immer will sich die Trägheit durchsetzen.«
    »Ich bin Babkin, Wadim Igorowitsch … und trete Ihnen gleich in den Bauch!« sagte Babkin und erhob sich aus seinem Korbsessel.
    »Und ich bin Gurjuk, Julian Viktorowitsch … und werde Ihnen das Gesicht auf den Rücken drehen …«
    »Dann los, Freundchen!« Babkin duckte sich etwas. Zu Arune schielte er hin, die bleich an der Wand lehnte und an ihren Fäusten kaute. »Da kommt noch einer auf die Liste«, sagte er und atmete plötzlich schwer. »Nein, zwei kommen drauf … du zärtliches Kaninchen …«
    »Zu Hilfe!« stammelte Arune. Es sollte ein Schrei werden, aber ihre Stimme ertrank in den Tränen, die ihr aus den Augen tropften. »Zu Hilfe! Hör eine Erklärung an, Wadim Igorowitsch.«
    Erklärung! Was gab es da noch zu erklären? Der feine Mensch, der sich Gurjuk nannte, warf den Blumenstrauß an die Wand, ließ die Flasche Krimsekt fallen – sie zerplatzte nicht, was für die Güte sowjetischen Glases sprach – und rieb sich die Hände wie einer, der am Reck turnen wollte.
    »Mein Alterchen«, sagte er fast gütig. »Ingenieur bin ich, von der neuen Silbermine. Vier Sportdiplome habe ich … Komm nur her. Noch einen Rülpser tust du, dann bringen wir dich ins Krankenhaus. Viel Silberdraht wird man brauchen, um deine Knochen wieder zusammenzuflicken.«
    Babkin schnaufte laut. Das Wort ›Alterchen‹ brannte in seinem Herzen wie ein offenes Geschwür. Nun ja, sechzig ist man, das ist nicht zu leugnen, aber ›Alterchen‹, in diesem gehässigen Ton gesagt, war ein Schwertstreich gegen seine Männlichkeit.
    Es gibt Sechzigjährige, die reiten einem Dreißigjährigen davon, vor allem in Sibirien … Und da kommt so ein Stadtmensch daher, ein Ingenieur, sicherlich aus Tobolsk, und rollt mit den Muskeln! Paß auf, Rotznäschen, was man gleich mit dir macht …
    Was man nun erwartet, Genossen, es fand nicht statt. Die beiden Männer stürzten nicht aufeinander los, o nein. Sie wandten sich plötzlich einträchtig zu Arune um und spuckten vor ihr aus.
    »Hürchen!« sagte der feine Gurjuk.
    Und Babkin fügte hinzu: »Auch so ein spreizbeiniges Weib … zum Kotzen ist's! Julian Viktorowitsch, sollen wir uns deswegen die Knochen brechen?«
    »Welch ein sinnloser Luxus wäre das!« entgegnete Gurjuk vornehm. »Wadim Igorowitsch, Sie haben auch mit ihr …?«
    »Und wie oft!«
    »Pfui!«
    »Ja, pfui über sie!«
    »Ein so strammes Weibchen und ein Greis …«
    »Wir können uns noch schlagen«, sagte Babkin dumpf, »wenn Sie weiter an meiner inneren Jugendlichkeit zweifeln!«
    »Mir genügt, was ich höre und sehe.«
    »So ist's recht. Gehen wir.«
    »Ja, gehen wir.« Gurjuk nahm seine Sektflasche vom Boden hoch. »Aber wohin?«
    »Zu Komolow, in die Wirtschaft.«
    »Was soll ich da?«
    »Da sitzt Isaak Guramowitsch, ihr Männchen. Julian Viktorowitsch, helfen Sie mir, ihm den Schädel einzuschlagen.«
    »So ist's.« Gurjuk spuckte noch einmal vor Arune aus, um seine Empörung zu unterstreichen. »Aber ist Narinskij nicht ein starker Mann, Wadim Igorowitsch?«
    »Kein Problem für Sie mit vierfachem Sportlerdiplom.«
    »Es war im Hochsprung …«
    »Vortrefflich! Dann können Sie mit Stangen umgehen. Brechen wir uns jeder eine aus dem Zaun – und dann hinüber zu Komolow!«
    »Welch eine gute Idee! Kommen Sie, Genosse.«
    An der heulenden Arune vorbei verließen sie das Zimmer, traten auf die Straße, und Gurjuk ging zu einem verbeulten alten Auto, das vor dem Haus stand.
    »Abschließen will ich es noch!« sagte Gurjuk harmlos, setzte sich hinein, ließ den Motor an und schoß davon wie ein Rennfahrer.
    Fassungslos starrte ihm Babkin nach, bis er begriff, was man mit ihm gespielt hatte.
    »Feigling!« schrie er dem wild über den schlechten Weg hüpfenden Wagen nach. »Oh, ist das eine Welt! Ist das eine Generation, diese Jungen! Nennen uns Alterchen und rennen vor jeder Wespe davon. Wie gut, daß ich noch aus altem hartem Holz bin!«
    Er vergrub die Fäuste in den Hosentaschen, reckte das Kinn in die Luft und

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