Babson, Marian
diesmal zogen beide verwundert die Augenbrauen hoch.
»Raaaaaahhhh!! !« Ein verzweifelter Wutschrei
ließ sie zusammenfahren. Macho hatte den Kühlschrank geöffnet, dabei war eine
nachlässig hineingestellte Flasche umgekippt und ihm auf den Zeh gefallen. Er
packte die Flasche und schüttelte sie mit einer zornigen
Heftigkeit, die nicht angemessen erschien. Sie konnte ihn nicht ernsthaft
verletzt haben.
»Du elender
...« Ungläubig standen die beiden hinter Macho und wurden Zeuge einer
dreiminütigen Schimpfkanonade, die sich durch ein Dutzend Sprachen zu pflügen
schien. Zumindest vermutetet Lorinda das, da sie nur hin und wieder einen
Wortfetzen verstand.
»Es kommt
nicht darauf an, was man sagt«, meinte Freddie beiläufig, als Macho allmählich
zur Ruhe kam, »sondern wie man es sagt.«
»Verdammt noch
mal!« Es war die erste wirklich verständliche Äußerung, seit die Flasche auf
seinem Fuß gelandet war. Erneut schüttelte er sie wie ein Wahnsinniger, dann
holte er aus und zielte aufs Fenster.
»Du bist
erledigt! Hörst du?«, brüllte er. »Ich bin fertig mit dir! Fertig!«
»Macho!«, rief
Freddie und konnte die Flasche gerade noch auffangen, bevor sie durch die
Scheibe flog.
Macho ließ
sich auf einen Stuhl sinken, beugte sich vor und vergrub das Gesicht hinter
seinen verschränkten Armen. »Was ist los?«, fragte Lorinda. »Was hast du?«
»Das
ist...«Freddie sah sich das Etikett genauer an. »Das ist Tequila. Das Zeugs,
von dem er immer behauptet, er habe davon nichts im Haus.«
»Habe ich auch
nicht«, erwiderte Macho erstickt. »Aber dann ... überall tauchen plötzlich
diese Flaschen auf. Ständig finde ich irgendwo im Haus eine Flasche, obwohl ich
genau weiß, dass ich keine davon gekauft habe!«
Roscoe kam zu
ihm, streckte sich und sprang an seinem Herrchen hoch. Die Vorderpfoten auf
dessen Oberschenkel gestützt, gab der Kater ein besorgtes Miauen von sich.
Macho hob ihn hoch und drückte ihn an sich.
»Ich fange
eine neuen Serie an«, erklärte er. »Historische Krimis. Als ich euch habe reden
hören, da kam ich ins
Grübeln.
Geschichte ist mein Fachgebiet. Ich habe Lust, mich wieder damit zu
beschäftigen.«
»Das klingt
gut«, sagte Lorinda behutsam. Für den Augenblick schien er seine Nerven
einigermaßen im Griff zu haben, und sie wollte nicht, dass ihm erneut die
Kontrolle entglitt. »Historische Krimis sind momentan sehr beliebt. Welche
Ära?«
»Sechzehntes
Jahrhundert. Venedig, das ist auch sehr populär. Und ...« Er atmete tief durch.
»Meine Privatdetektivin wird Portia sein.«
»Portia?«
Lorinda fühlte leichten Schwindel einsetzen. »Portia wer?«
»Darum kümmere
ich mich später«, wischte Macho die Frage beiseite. »Will hat sich dazu nicht
genauer ausgelassen.« »Will?«
»Wenn man
klaut«, sagte Freddie, die Lorinda um eine Nasenlänge voraus war, »dann gleich
von den Besten.«
»Warum nicht?
Das hat Shakespeare schließlich auch gemacht«, entgegnete Macho trotzig. »Ich
borge mir eigentlich nur etwas aus... ich führe die Geschichte fort...«
»Die
Geschichte ...«, wiederholte Lorinda leise.
»Ja, genau.
Wisst ihr, Shylock war tief beeindruckt von ihr, und da er keinen Groll gegen
sie hegt, wendet er sich an sie, als es wieder Probleme gibt. Seine geliebte
Tochter Jessica ist verschwunden, sie ist wie vom Erdboden verschluckt. Lorenzo
wurde ohne sie gesehen, und er behauptet, sie hätten sich gestritten und danach
sei sie weggelaufen und ...«
Freddie
stellte die Flasche Tequila energisch vor ihm auf den Tisch. Er starrte sie an,
ohne sie aber wahrzunehmen.
»Ich erfinde
auch eine neue Persönlichkeit für mich«, fuhr er fort. »In meiner Biografie bin
ich ein ehemaliger Anwalt, der jetzt als Journalist arbeitet. Ihr wisst ja,
dass die
Medien gern
besonders viel Theater um Bücher machen, die von einem aus ihren Reihen
geschrieben wurden. Und Anwälte kaufen wie die Irren Bücher, die von anderen
Anwälten verfasst worden sind. Vermutlich liegt das daran, weil die Angehörigen
beider Berufe glauben, jeder von ihnen könnte einen Bestseller schreiben, wenn
er sich nur ein bisschen anstrengt. Und wenn einer aus ihren Reihen das
geschafft hat, beflügelt das ihre Träume ...«
Ungeduldig
tippte Freddie mit den Fingernägeln auf die Flasche.
»Unter der
Spüle steht noch eine«, räumte er seufzend seine
Niederlage ein und rieb seine Stirn an Roscoes Kopf.
Lorinda
öffnete den Schrank unter der Spüle und holte eine halb volle Flasche
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