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Baby-Bingo

Baby-Bingo

Titel: Baby-Bingo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla und Martin Moretti
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verdient.«
    Während der nächsten sechs Tage spritze ich mir jeden Abend Hormone. Man kann zusehen, wie mein Bauch immer dicker wird. Und ich komme mir vor, als hätte ich zu viel von Tante Rosas leckerem Frankfurter Kranz gegessen. Dazu kommt eine Sammlung von blauen und grünen Flecken. Anscheinend habe ich die besondere Gabe, immer zielgenau kleine Blutgefäße zu treffen, die sich dann rundum verfärben. Kein schö ner Anblick. Und ich fühle mich unwohl. Was dazu führt, dass unser Sexleben total auf Eis liegt.
    Dafür bin ich umso anhänglicher. Martins Nähe ist mir in diesen Tagen ganz besonders wichtig. Ich habe das Gefühl, für ihn ist es schwierig, mit der Situation umzugehen. Ein bisschen mehr Mitgefühl würde ich mir trotzdem wünschen. Manchmal frage ich mich, wie es umgekehrt wäre. Würde sich Martin auch jeden Abend Hormone spritzen, wenn das die Wahrscheinlichkeit erhöhen könnte, ein Kind zu bekommen? Würde er all die Arzttermine, den damit verbundenen Zeitaufwand und die psychische Belastung auf sich nehmen, damit sich unser Wunsch nach einem Baby endlich erfüllt?
    Ich bin mir da ehrlich gesagt nicht sicher. Martin sind diese ganzen Behandlungen ziemlich suspekt. Und er erkundigt sich nie nach Details. Wenn er bei Wer wird Millionär gefragt werden würde: »Spritzt sich Ihre Frau jeden Abend selbst
    a) in den Po
    b) ins linke Ohrläppchen
    c) in den Zeigefinger
    oder
    d) in den Bauch,
    dann bräuchte er wahrscheinlich mich als Telefonjoker. Er hat nie danach gefragt, wie und wo ich mir die Spritze setze. Trotzdem erstaunt er mich dann doch manchmal. Wie gestern. Da brachte er mir Trüffelpralinen von Dallmayr mit, von denen ein Stück sicher mindestens 10 000 Kalorien hat und meinen Bauch noch weiter wachsen lässt.
    »Dann hast du etwas, worauf du dich jeden Abend nach der Spritze freuen kannst, falls mal das Eis ausgeht«, sagte er und schaute mich mit seinen süßen Mecki-Knopfaugen an.
    Für solche Aktionen liebe ich ihn dann wieder.
    »Nehmt die Badesachen mit, dann fahren wir mal an den Timmendorfer Strand«, hatte meine Mutter am Telefon gesagt. Es ist Freitagnachmittag, und wir sind auf dem Weg nach Hamburg. Dort lebt meine Mutter seit der Scheidung von ihrem zweiten Mann vor zehn Jahren.
    »Wir haben hier momentan 30 Grad. Ich kann nachts schon gar nicht mehr schlafen, so heiß ist es hier«, hatte sie angekündigt.
    Wenn meine Mutter von 30 Grad spricht, dann liegt die Temperatur bei allerhöchstens 20. Erfahrungen einer Tochter, die ihre Mutter seit nun fast 40 Jahren kennt. Trotzdem haben wir unsere Badesachen eingepackt. Für mich anstelle des Bikinis einen Badeanzug. Denn den Fragen und Vorwürfen meiner Mutter zu meinem leicht gewölbten und blau verfärbten Bauch will ich mich erst gar nicht aussetzen.
    In Gedanken höre ich sie schon sagen: »Also, Carla, als ich in deinem Alter war, hatte ich noch nicht so einen Bauch … oder hast du mir etwas zu sagen?« Zwinker, zwinker. Denn meine Mutter wünscht sich schon seit Jahren ein Enkelkind. Und da ich ihre einzige Tochter bin, lastet der gesamte Druck auf mir.
    Wir kommen nur langsam voran, die Autobahn ist völlig überlastet. Scheinbar wollen nicht nur wir in den Norden. Zudem sind wir wieder mal viel zu spät aus München weggekommen. Meine Mutter hat bereits zweimal angerufen, wann wir denn endlich ankommen.
    Da mein kurzsichtiger Mann auch noch seine Brille vergessen hat, muss ich die gesamte Strecke fahren. Manchmal habe ich Martin im Verdacht, dass er seine Brille, die er am Steuer unbedingt braucht, auf langen Fahrten mit Absicht vergisst. Männer neigen ja zur Bequemlichkeit. So kann er in Ruhe neben mir den Sportteil der Zeitung lesen oder mir kluge Tipps geben, wann ich zu bremsen habe, dass ich an der Baustelle nicht so weit rechts fahren oder mehr Abstand zum Vordermann halten soll. Auf dem Beifahrersitz verwandelt er sich leider in einen Oberlehrer.
    Kurz nach Hannover halten wir an einer Autobahnraststätte. Es ist 23 Uhr und damit Zeit für Krankenschwester Carlas pünktlichen Einsatz. Eigentlich wollten wir längst bei meiner Mutter sein, aber wir brauchen sicher noch eine weitere Stunde. Und die Spritze muss pünktlich gesetzt werden.
    »Das ist doch jetzt nicht dein Ernst, dass du dir hier im Auto vor allen Leuten die Spritze geben willst!«, meckert Martin.
    »Was soll ich deiner Meinung nach denn sonst machen? Mir die Spritze auf der schmutzigen Autobahntoilette setzen?«
    Ich bin gereizt. Es ist heiß.

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