Babylon: Thriller
Wagen, der direkt vor dem Haus stand. Das war auch gut so, denn Miss Vanderlin hatte Schwierigkeiten, aus eigener Kraft dieses kurze Stück zu überwinden.«
»Ihre Freundin. Eine ziemlich gut aussehende Blondine?«
»Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Warum? Können Sie sich nicht mehr erinnern, mit wem Sie zusammen waren?«
Er behielt seine ausdruckslose Miene bei, aber ich wusste genau, was er dachte. Ein Dreier mit einer Menge Alkohol und diversen Designerdrogen, der ein wenig aus dem Ruder gelaufen war. So etwas hatte er schon oft genug erlebt. Er verfolgte aufmerksam jeden meiner Schritte, während ich die Lobby verließ, und sagte kein Wort.
Ich rannte einige Blocks weit die 7. Avenue entlang. Es schüttete wie aus Eimern; es war mir egal. Ich musste so etwas wie einen Schutzschild zwischen mir und den Ereignissen der letzten Stunde errichten.
Als meine Lunge bei jedem weiteren Atemzug zu brennen begann, suchte ich Schutz unter einer Markise. Ich hatte keinen trockenen Faden mehr am Leib. Meine Kleidung klebte am Körper, als wäre ich in voller Montur schwimmen gegangen, und Wasser rann mir über das Gesicht. Das Bild von Laurel in diesem Raum hatte sich förmlich in mein Gehirn gebrannt.
Ich stolperte weiter und achtete nicht darauf, wohin meine Füße mich trugen. Eine wahre Horror-Show lief vor meinem geistigen Auge ab – der Autounfall, Hals Ermordung, Shim und Eris auf der Jagd nach uns, der grinsende Mann im Narrenkostüm und jetzt Laurel. Egal was ich tat, es endete immer mit einem Desaster. Ich hatte das Gefühl, als würde jeden Moment mein Gehirn explodieren.
Mein Mobiltelefon meldete sich. Eine weitere E-Mail. Knapp und präzise.
Kommen Sie um 21:00 Uhr zum Wasserturm an der High Bridge. Laurel gegen die Schrifttafel. Sie stirbt, wenn Sie die Polizei mitbringen.
Ich wanderte durch die Straßen und suchte verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser Situation. Am Ende setzte ich mich in einen kleinen Park; die Bänke waren nass vom Regen, aber ich nahm es kaum zur Kenntnis. Selbst bei Nacht versammelten sich hier die Raucher und hinterließen unter jeder Bank einen regelrechten Hügel aus Zigarettenstummeln. Ein Mann neben mir in einem eleganten Nadelstreifenanzug warf seinen immer noch glimmenden Zigarettenrest auf den Boden, ergriff einen Aktenkoffer und einen Sturzhelm und ging hinüber zu einem Motorrad. Es war eine schwarze Ducati S4R, ein wahres Prachtstück auf zwei Rädern. Er schwang sich in den Sattel und ließ den Motor aufheulen. Ich hätte wer weiß was dafür gegeben, ebenso wie er in die sommerliche Nacht hinauszufahren und den Müllhaufen meines Lebens hinter mir zu lassen.
Die High Bridge wurde in den Vierzigerjahren des neunzehnten Jahrhunderts als Aquädukt erbaut, durch das Trinkwasser vom Croton River nach Manhattan transportiert wurde. Sie ist die älteste Brücke Manhattans und verfällt zusehends, auch wenn man davon spricht, sie bald renovieren zu wollen. Nachdem die Polizei Kinder dabei ertappt hat, wie sie Steine des Mauerwerks auf die Boote der Circle Line warfen, wurde die Brücke gesperrt. Ich hatte einmal Fotos von ihr gesehen und schon damals gedacht, dass sie architektonisch eng mit dem alten Römischen Reich verbunden ist. Aus Stein erbaut, erinnern die klassisch anmutenden Bögen, die den Harlem River überspannen, an die alten Aquädukte, die das Tibertal durchschnitten. Hinter den glatten Außenwänden erstreckt sich über die gesamte Länge der Brücke ein Tunnel, in dem sich das Rohr befand, das bis 1917 Wasser in die Stadt transportierte. In jener Zeit wurden auch funktionale Bauwerke noch unter ästhetischen Gesichtspunkten geplant und entworfen, und diese Konstruktion zeichnet sich durch ihre kunstvoll gestalteten romanischen Stützpfeiler und Bogengewölbe aus.
Der Wasserturm selbst steht an einem einsamen Punkt im Park. Jemand war dort im vorangegangenen Jahr ermordet worden. Mich dorthin zu begeben, wäre in etwa genauso, als würde ich mich selbst auf einen elektrischen Stuhl schnallen und den Schalter umlegen. Ich musste irgendeinen anderen Weg finden, um Laurel zu retten.
Donner grollte, als ich das Waldorf-Hotel betrat. Der Regen vorher hatte die Schwüle nicht lindern können. Die Luft war heiß und schwer wie im Innern eines Vulkans kurz vor dem Ausbruch.
Auf dem Zimmer wühlte ich in meinem Koffer herum und suchte die Pistole. Ich brauchte jetzt alle Hilfe und Unterstützung, die ich aufbieten konnte.
Sie war verschwunden. Hatte
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