Babylon: Thriller
er keinen Grund zu lügen. Samuel hatte mein Vertrauen immer in einem ganz besonderen Maß besessen. Und das hatte Ari soeben zerschlagen.
Ein seltsames Zischen lag plötzlich in der Luft. Kurz danach erhellte ein Blitz die Nacht mit seinem kalten Licht, als sei plötzlich ein Flutlichtscheinwerfer auf das Fenster gerichtet worden. Ari beeilte sich, es zu schließen. Ich saß da, völlig benommen von dieser neuen Information. Ich hatte Samuel verloren und möglicherweise Laurel, und jetzt war das Zuhause, das ich liebte, ebenfalls weg. Ich stützte den Kopf in die Hände. Die Trauer überwältigte mich und ein trockenes Schluchzen drang aus meiner Kehle.
Ari versuchte gar nicht erst, mich zu beruhigen. Er wartete, bis ich mich ein wenig gefasst hatte, und brachte mir dann ein Handtuch, das er in kaltes Wasser getaucht hatte. Er reichte es mir seufzend. »Es scheint, als sei ich dazu verurteilt, die schlechten Nachrichten zu übermitteln. Kein Wunder, dass ich Journalist werden wollte.
Sie haben Samuel immer für ein wenig naiv gehalten, nicht wahr?«, sagte er. »Sie nehmen an, Tomas hat ihn vielleicht zu diesem Komplott überredet. Das stimmt nicht. Samuel hat es sich ausgedacht und in Gang gesetzt. Er war sich der Risiken durchaus bewusst und machte uns unmissverständlich klar, dass wir uns hundertprozentig auf Sie verlassen könnten, falls ihm etwas zustoßen sollte.«
»Ich wüsste nicht, warum er so etwas gesagt haben sollte.«
»Trauen Sie sich so wenig zu? Manchmal sehen die Menschen, die uns nahestehen, in uns Fähigkeiten, von denen wir nicht die geringste Ahnung haben. Tomas beweist mir das jeden Tag aufs Neue. Überlegen Sie es sich. Dank Ihrer bisherigen Bemühungen haben wir eine reelle Chance, die Schrifttafel zu retten.«
»Ich weiß nicht, ob ich den Mumm habe, weiterzumachen. Während der letzten zwei Tage schaue ich ständig über meine Schulter und frage mich, wann ich mit der nächsten Attacke zu rechnen habe. Dass ich noch am Leben bin, kann ich meinem sprichwörtlichen Glück verdanken. Und morgen Abend gibt es vielleicht Laurel nicht mehr.«
»Ich will Ihnen etwas geben.« Ari griff in den Ausschnitt seines verknautschten Jeanshemdes und zog sich eine Kette über den Kopf. Ein goldener Talisman hing daran. Ich konnte die Wärme seiner Haut in dem Metall spüren, als er mir die Kette reichte. Auf einer Seite befand sich das eingravierte Bild einer geflügelten Scheibe. Es war das berühmteste Symbol Assyriens.
»Ein ktiwyateh . Ein assyrischer Talisman. Das Symbol Samas’, des Sonnengottes«, sagte Ari. »Es hat eine beschützende Wirkung. Wir Assyrer haben viertausend Jahre überlebt. Damit dürfte es seinen Wert bewiesen haben. Ehe Sie lachen, sollten Sie wissen, dass es mich sicher durch zwei Kriege, drei Schusswunden und zahlreiche Beinahe-Treffer begleitet hat. Irgendwo gibt es sicherlich eine Kugel, auf der mein Name steht, aber bisher konnte ich ihr immer wieder entgehen. Das Medaillon wurde ausgiebig getestet und hat seine Prüfung bestanden. Ich möchte, dass Sie es nehmen. Wir sind jetzt miteinander verbunden. Brüder im Kampf?« Er hielt für einen kurzen Moment inne, ehe er fortfuhr.
»Und bitte nehmen Sie das, was Tomas gelegentlich von sich gibt, nicht persönlich. Er steht ebenso wie wir alle unter enormem Druck. Das entschuldigt natürlich in keiner Weise sein Benehmen. Ich könnte nicht nach London fliegen, wenn ich nicht glaubte, dass er sich in guten Händen befindet. Auch er wird zutiefst getroffen sein, wenn er das mit Laurel erfährt. Er mochte sie sehr.«
Rede nicht in der Vergangenheit von ihr! Diesen Gedanken ertrage ich nicht. »Tomas macht auch Ihnen das Leben schwer?«
Ari lachte verhalten. »Was haben Sie erwartet? Ich bin der große Bruder. Wir haben einiges zu verarbeiten. In den Augen meines Vaters habe ich nichts falsch gemacht. Bei Tomas ist es genau das Gegenteil. Dafür zahle ich schon lange. Ich komme damit klar. Wie heißt es so schön auf Englisch? Ich habe große Arme.«
»Breite Schultern.«
»Ja.« Ari lachte wieder und tippte auf seine Schulter. Seine Aura war so stark, dass, als sein Lächeln in diesem Moment verflog, das Licht im Raum matter zu werden schien. »Und noch etwas. Ich verrate ein Geheimnis, aber es ist gut, wenn Sie es wissen. Vor kurzem ist Tomas’ Verlobte gestorben.«
Ich sah ihn verblüfft an. »Laurel meinte, sie hätten sich getrennt und dass sie jemand anderen geheiratet habe.«
»Tomas schämt sich zu sehr, um
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