Babylon: Thriller
für uns beide sicherer, zusammen die Bibliothek aufzusuchen. Mittlerweile dürfte Ari ihn über Laurels Schicksal ins Bild gesetzt haben, so dass ich wohl davon ausgehen konnte, dass er ausreichend motiviert war, ihr zu helfen. Ich stopfte meine Siebensachen in die Reisetasche, wählte seine Nummer, um ihm Bescheid zu sagen, er solle sich bereithalten, und wurde mit seiner Mailbox verbunden. Als ich an seine Tür klopfte, rührte sich nichts.
Am Empfang beglich ich die Rechnung für unsere Zimmer und wollte für Tomas Zakar eine Nachricht hinterlassen, in der ich ihn bat, sich mit mir an der Columbia University zu treffen.
Die Hotelangestellte rief im Computer seinen Namen auf. »Er ist schon heute Morgen ausgezogen, Sir.«
»Sind Sie sicher?« Hatte ihn die Neuigkeit über Laurel derart erschreckt, dass er sämtliche weiteren Pläne, die Suche nach der Schrifttafel betreffend, aufgegeben hatte? War er zusammen mit Ari abgereist? Ein weiteres Mysterium, mit dem ich mich herumschlagen konnte. Ein Versuch, Ari per Mobiltelefon zu erreichen, brachte mich nicht weiter. Auch er meldete sich nicht. Wahrscheinlich befand er sich längst über dem Atlantik und war nicht mehr zu erreichen. Ich hatte keine Zeit, mir wegen Tomas den Kopf zu zerbrechen. Laurel war jetzt das Einzige, was für mich zählte.
Ein metallisches Klirren und Klappern verkündete, dass die Stadt aus ihrem nächtlichen Schlaf erwachte. Müllwagen rollten durch die Straßen und leerten die bereitgestellten Abfalltonnen, Lieferwagen standen am Bordstein und entluden ihre Waren, Verkaufspersonal kurbelte Absperrgitter vor Schaufenstern hoch. Ich kam an einem ganz speziellen Privatunternehmer vorbei, der auf der Eingangstreppe eines der eleganten Gebäude saß, die die 5. Avenue säumten, und Vorbereitungen für seinen Arbeitstag traf. Zwei Katzen lagen zu seinen Füßen, eine silbergraue und ein pechschwarzer Perser, jede auf einem runden, blauen Kissen mit einer offenen Dose Katzenfutter zwischen ihnen und einem mit krakeligen Lettern beschrifteten Schild BITTE EINE SPENDE . Den eleganten Kodiak-Stiefeln nach zu urteilen, die der Mann trug, waren die Leute bisher ausgesprochen großzügig gewesen.
Eine Freiheitsstatue wedelte mir mit einem Flugblatt vor der Nase herum. Es war ein Mann, der von Kopf bis Fuß in ein grünes Latexkostüm gehüllt war. Sein weiter Umhang flatterte im morgendlichen Wind. Sein Gesicht war mit grüner Farbe bedeckt und auf dem Kopf trug er eine Krone mit sieben Zacken. Die Katzen betrachteten ihn staunend.
Ich mischte mich unter die Leute, die sich in die U-Bahn drängten, um ins Stadtzentrum zu fahren, stieg an der 116. Straße aus und ging zum Campusgelände. Ich redete mir ein, dass Laurel nichts zugestoßen und sie wohlauf war. Ohne die Schrifttafel würden sie keine wesentlichen Schritte unternehmen. Trotzdem wuchs meine Unruhe und dämpfte den Ansturm nostalgischer Gefühle beim Anblick des Low Memorial. Wie oft hatten Hal, Corinne und unsere anderen Freunde sich auf diesen Stufen getroffen, um gemeinsam die Zeit totzuschlagen und das Leben zu genießen? Ich hatte so manche schöne Zeit an der Columbia verbracht; zu viele, zurückblickend betrachtet.
In seiner neoklassischen Schönheit war das Low Memorial ein Tempel am Ende einer imposanten Freitreppe. Seine Architekten waren offensichtlich durch das römische Pantheon inspiriert worden. Zehn ionische Säulen trugen eine mächtige Kuppel aus Granit.
Ich passierte Bronzestatuen von Zeus und Apollo und blieb im Eingang stehen. Was suchte ich eigentlich? Viele klassische Elemente waren bei der Innenausgestaltung verarbeitet worden. Auf welches genau spielte Hal an? Die zwölf Sternzeichen waren im Kreis um die berühmte Büste der Pallas Athene angeordnet. Keins passte in die sieben Felder von Hals Rätsel. Ich rief mir die ursprünglichen Worte ins Gedächtnis: owl la memoir . Vielleicht hatte Hal sie nur benutzt, um damit den Namen des Gebäudes herleiten zu können, aber ich war überzeugt, dass sie eine tiefere Bedeutung hatten.
Die Verbindung zu owl setzte etwas in meinem Gedächtnis in Gang. Hal hatte das Spiel für mich entwickelt, daher müsste etwas, das ich kannte, in engem Bezug zur Antwort stehen. Und dann fiel mir ein, was es war. Die Statue der Alma Mater vor dem Gebäude. Als Studienanfänger befanden wir uns in einem ständigen Wettstreit, wer das Bild der Eule in ihrem Gewand als Erster findet. Die Statue war der griechischen Athene, gleichzeitig die
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