Babylon: Thriller
die wahre Geschichte zu erzählen. Er nimmt die ganze Schuld auf sich.«
»Was ist geschehen?«
»Hat Laurel Ihnen erzählt, mein Bruder habe Priester werden wollen?«
»Ja, und dass er seine Pläne geändert habe, weil er heiraten wollte.«
»Mit dieser Ausrede kam er nur hier drüben durch.« Er schüttelte mit trauriger Miene den Kopf. »Assyrische Priester dürfen heiraten. Das war nicht der Grund.
Seine Verlobte wohnte bei seinen Eltern in Bagdad – im Al-Karāda-Distrikt. Als die Bombardierungen einsetzten, hatte sie Angst und bat Tomas, bei ihm bleiben zu dürfen, doch er hatte alle Hände voll zu tun, Samuel zu helfen, und dachte, dass sie zu Hause sicherer sei. Nachdem wir die Schrifttafel geborgen hatten, fuhren Tomas und ich zu ihr rüber.« Ari ließ den Kopf hängen. »Was wir fanden, war eine Katastrophe. Der gesamte Wohnblock war eingestürzt. Er stand nur noch zur Hälfte. Wir konnten zum Teil die Eingeweide des Gebäudes noch erkennen. Aber der Rest? Eisenträger, die in den Himmel ragten, und massenweise Schutt und Trümmer.
Sie kennen Tomas als zurückhaltenden Menschen, und das ist er gewöhnlich auch. Aber an diesem Tag drehte er durch. Bei dieser einzigen Gelegenheit, bei der er mich brauchte, konnte ich ihm nicht helfen. Ihre Leiche wurde nie gefunden.«
»Ich weiß, wie schlimm das ist.«
»Natürlich – Samuel«, sagte Ari. »Und Sie sollen auch wissen, dass ich Ihr Erbe nicht vergessen werde. Ich sorge dafür, dass Sie fair behandelt werden.«
Ari sorgte dafür, dass ich mich beruhigte, ehe er zu Tomas hinunterging. Er nahm die Pistole mit. In Wahrheit, so glaube ich, wollte er mich nur für einige Zeit alleine lassen, damit ich mich wieder sammeln konnte.
Ich nutzte die Gelegenheit. Ich hatte keinerlei Gewissensbisse, Tomas’ Gepäck zu filzen, nachdem er sich an meinem Koffer zu schaffen gemacht hatte. Darin fand ich zwei Reisepässe, den irakischen auf seinen Namen, den er mir im Restaurant Khyber Pass gezeigt hatte, und einen zweiten, der ihn als George Anapolis, einen griechischen Bürger, auswies. Dazu Kleider, Toilettenartikel, ein zweites Paar Schuhe und nichts weiter, das von Interesse war. In einer Reißverschlusstasche an der Seite fand ich ein Buch, das ich durchblätterte. Ovids Metamorphosen . An einer Seite in der Mitte war ein Zettel im Format einer Visitenkarte angeheftet. Darauf befand sich eine Adresse in Bagdad. Die Tatsache, dass Tomas sie auf diese Art und Weise versteckt hatte, sagte mir, dass sie für ihn von besonderer Bedeutung sein musste. Ich fand einen Notizblock, notierte die Adresse, riss den Zettel ab und steckte ihn in die Tasche.
Donner rollte über die Stadt, begleitet von einer ganzen Speersalve greller Blitze. Regenschwaden schlugen wie große Hände gegen die Fenster.
Trotz der Qual, die es mir verursachte, spielte ich in meinem Zimmer mehrmals das Geisel-Video ab für den Fall, dass mir irgendwelche Hinweise auf den Ort, wo Laurel festgehalten wurde, entgangen waren. Der Hintergrund bestand aus absolut unauffälligen Kachelwänden und einem genauso unauffälligen Fußboden. Es konnte jedes beliebige Badezimmer, jeder Keller oder jeder Gewerbebau in der Stadt sein.
Ich schaltete das Hotelradio ein in der Hoffnung, dass das laufende Programm mich ein wenig von meinen Problemen ablenkte. Zu hören waren Titel von Dwight Yoakams CD mit dem für meine Situation allzu treffenden Titel Last Chance for a Thousand Years . Dabei kam es mir vor, als hätten Laurel und ich unsere allerletzte Chance schon vor langer Zeit verspielt.
Vierundzwanzig
Mittwoch, 6. August 2003, 7:00 Uhr
Ob es an meiner emotionalen Achterbahnfahrt am Vortag lag oder einfach daran, dass ich dringend die Lösung finden musste: Auf jeden Fall entschlüsselte ich sozusagen im Handumdrehen am nächsten Morgen den ersten Teil von Hals Rätsel.
Owl la memoir wurde zu low memorial . Wie in Low Memorial Building, dem Verwaltungsgebäude der Columbia University. Zwar ließen die Worte sich nicht auf sieben Felder verteilen, trotzdem war ich überzeugt, der Auflösung auf der Spur zu sein. Ich würde die Antwort sicherlich auf dem Campus finden.
Ich sah noch einmal in meinem E-Mail-Fach nach, aber es gab keine weiteren neuen Nachrichten. Ich schickte jedoch meinem Anwalt Andy Stein eine Anfrage, ob es möglicherweise schon zu spät sei, hinsichtlich des Verkaufs der Eigentumswohnung etwas zu unternehmen.
Ich hätte es begrüßt, Tomas aus dem Weg gehen zu können, jedoch war es
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