Babylon: Thriller
sofort den Mund voller Staub, der zwischen meinen Zähnen knirschte. Ein weißer Humvee mit getönten Scheiben, zerbeult und mit einer dicken Staubschicht bedeckt, stand für uns bereit.
Zwei Muskelmänner besetzten die Vordersitze, moderne Barbaren mit Helmen und ACU -Jacken über schweißfleckigen Unterhemden und Khakijeans. Sie hatten ID -Marken an Ketten um den Hals hängen. Beide waren glatt rasiert und hatten kurze Bürstenhaarschnitte. Einer trug eine lange Reihe Aufnäher auf dem linken Ärmel. Außerdem trugen sie Waffen, die so gefährlich aussahen, als könnte man mit ihnen ganze Gebäude in Schutt und Asche legen.
Ich musterte Ward von der Seite. »Wer ist dieses Vorauskommando?«
»Privates Militär. Ohne sie hat man hier kaum eine Überlebenschance.«
»Sie sehen aber noch ziemlich jung aus.«
»Was sollen Sie sonst tun, sich zu Hause irgendeinen mies bezahlten Aushilfsjob suchen? Hier können sie bis zu eintausend pro Tag einsacken.«
»Wohin genau fahren wir jetzt?«
»Zum Hotel Al-Mansour. Sie werden sich kaum beklagen können. Es hat fünf Sterne.«
Zu einem Hotel? Das war eine Überraschung. Ich hatte befürchtet, auf mich wartete eine Art Gefängnis. Wenn Ward schon gezwungen war, mein Gefangenenwärter zu sein, dann, so vermutete ich, wünschte er sich dazu so viel Luxus wie möglich.
»Sie werden nicht gefesselt, wenn wir das Hotel betreten. Bleiben Sie nur bei uns. Unsere Freunde hier gehen die ganze Zeit dicht hinter uns, daher lohnt es sich wirklich nicht, irgendwelche dummen Sachen zu versuchen. Falls Sie irgendwohin außerhalb des Hotels flüchten wollen, wird auf Sie geschossen.«
Wir verließen den Flughafen und bogen auf die Schnellstraße zur Stadt ein. Wie oft hatte Samuel genau diese Strecke benutzt? Ich stellte mir vor, wie er den Abend in einem Teehaus verbrachte, Chai trinkend, süßes Fladenbrot und brutzelndes Kebab verspeisend. Die glitzernden Kuppeln der Moscheen bewundernd. An den trägen Fluten des Tigris entlangspazierend. In einem der sharayua – kleinen Parkanlagen am Flussufer – sitzend. Sich mit seinen Freunden in den Souks und im alten jüdischen Viertel treffend.
»Die Stadt hat eine ganze eigene Art, einen zu verführen«, hatte er mir einmal geschrieben. »Wenn man sie verlässt, empfindet man seinen Besuch als eine kurze Episode, eine vorübergehende Affäre. Aber dann stellt man fest, dass man immer wieder an sie denken muss. Und über kurz oder lang denkt man darüber nach, wie man möglichst bald und oft wieder zu ihr zurückkehren kann. Eigentlich spricht sie den Intellekt nur oberflächlich an; ihr wirklicher Reiz zielt tiefer und ist eindeutig erotisch. Sie ist wie eine Geliebte, von der man nicht lassen kann, egal wie viel Kummer sie einem bereitet, wie schwer sie einem das Leben macht. Und für mich kommt noch ihre reiche Geschichte hinzu.«
Ich fragte mich, wie er sich jetzt äußern würde, wenn er sie in diesem angeschlagenen, misshandelten Zustand sehen müsste.
Durch die Fenster blickte man auf eine öde Landschaft, durchsetzt mit grünen Inseln, in deren Mitte jeweils mehrere Farmgebäude standen. Näher zur Straße hin hätte die Landschaft als Hintergrund für einen Mad-Max -Film dienen können: verbogene Leitplanken, Granattrichter, Schutthaufen, wo der Asphalt gesprengt worden war, am Straßenrand der Kadaver eines verendeten Esels, dessen Verwesungsgestank sogar durch die geschlossenen Fenster an unsere Nasen drang, zerbeulte Lastwagen und Pkw, die Wracks tödlich getroffener Panzer. Alles war mit Staub und Asche bedeckt. Leute in der traditionellen Kleidung des Landes stapften müde durch die Gräben und suchten nach Gott weiß was. An einer Stelle glaubte ich eine Pfütze getrockneten Blutes auf der Fahrbahn erkennen zu können.
Wir rollten durch die Außenbezirke der Stadt in Richtung Zentrum und passierten zahlreiche Ruinen. Bei einigen Gebäuden war das Parterre intakt, und die großen maurischen Fenster und die hellbraunen Ziegelmauern erschienen völlig unberührt. Im krassen Gegensatz dazu waren die oberen Stockwerke ein albtraumhaftes Gewirr von angesengten Holzbalken und verbogenen Stahlträgern. Ich sah lange Reihen von vorwiegend heilen Häusern, unterbrochen von einem, das bis auf die Grundmauern zerstört worden war wie ein herausgebrochener Zahn in einem ansonsten makellosen Gebiss. Überall lagen außerdem stinkende Müllhaufen herum.
Wir gelangten auf eine pariserisch anmutende Prachtstraße mit einem breiten
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