Babylon: Thriller
nachzudenken, und glaubte schließlich zu wissen, weshalb er mich in den Irak mitgenommen hatte. Wenn ich mit meiner Überlegung recht hatte, würde es schon bald offenbar werden.
Ich machte mich durch lautes Rufen bei meinen Wächtern bemerkbar. Einer von ihnen steckte den Kopf durch die Tür. »Was ist los?«
»Ich möchte etwas zu trinken. Können Sie mir was aus der Minibar holen?«
»Wir sind keine Kellner.«
Ich konnte die Hot Dogs riechen, die sie soeben in einem Mikrowellenherd angewärmt hatten. »Woher haben Sie die Hot Dogs?«
»Das kommt alles aus Kuwait. Wir essen nichts von diesem irakischen Mist.«
Trotz seines Einwands, dass er kein Kellner sei, brachte er das Tablett mit meinem Essen wenig später herein und stellte es auf den Nachttisch. Hähnchengeschnetzeltes, Reis und irgendetwas Grünes, von dem ich vermutete, dass es mal Gemüse gewesen sein musste. Dazu eine Kanne stark gesüßten Chai mit einem Schraubdeckel, der als Becher verwendet werden konnte. Ich schlang die gesamte Mahlzeit herunter, als wäre sie ein Feinschmeckermenü.
Nachdem Ward wieder zurückgekehrt war, nahm er mir die Handschellen ab, damit ich die Toilette benutzen konnte. Ich ließ mir Zeit, seifte meine Hände und Arme ab, hielt einen Waschlappen unter den heißen Wasserstrahl und rieb mir damit das Gesicht sauber. Danach kämmte ich mich. Mein Bart sah ziemlich unordentlich aus, aber dagegen konnte ich in diesem Moment nichts tun.
Als ich ins Schlafzimmer zurückkehrte, meinte ich zu Ward, ich bräuchte einen Drink.
»Bedienen Sie sich«, sagte er.
Wie tief ich bereits gesunken war, erkannte ich daran, wie glücklich ich mich fühlte, als er mich unbewacht zur Minibar im Wohnraum gehen ließ. Die Wächter behielten mich im Auge, während ich eine Miniflasche Scotch aus dem Kühlschrank holte, ihren Inhalt in ein Glas schenkte und wieder ins Schlafzimmer zurückkehrte.
Ich setzte mich auf die Bettkante und baumelte mit den Beinen, um den Blutkreiskauf anzuregen, während Ward sich einen Sessel heranzog. Er kam mir ein wenig entspannter, ja, sogar deutlich besser gelaunt vor.
»Eris hat die Adresse, die Sie uns genannt haben, überprüft. Sie scheint echt zu sein. Sie ist sogar ganz in der Nähe, im Stadtteil Al-Mansour. Der Eigentümer des Hauses ist Assyrer genauso wie die Zakar-Brüder. Es ist durchaus möglich, dass Tomas die Schrifttafel dort deponiert hat.«
»Warum stürmen Sie nicht einfach das Haus und schauen nach? Sie haben schließlich die nötigen Mittel. Wozu brauchen Sie mich?«
»Ich will nicht das Risiko eingehen, die Tafel bei einem gewaltsamen Eindringen zu beschädigen. Außerdem muss ich noch ein wenig mehr wissen, ehe wir zu dem Haus gehen. Wir haben es unter ständiger Beobachtung. Was vor ein paar Tagen in dem Haus war, ist immer noch dort.«
»Hätte Tomas die Zeit gehabt, um hierher zurückzukommen? Er kann die Tafel am Flughafen kaum durch den Zoll geschmuggelt haben.«
»Wie lange ist es her, seit Sie ihn das letzte Mal gesehen haben? Drei Tage?«
»In etwa.«
»Ich bezweifle, dass er überhaupt in der Türkei war. Mazare hat alles für ihn inszeniert. Damit hätte er genügend Zeit gehabt, um nach Syrien oder Jordanien zu fliegen und mit dem Auto in den Irak zu kommen. Die Grenzen sind mittlerweile durchlässig wie ein Sieb. Es gibt tausende von Löchern, durch die man ins Land gelangen kann, und mit dem Auto ist man schon nach einem halben Tag in der Hauptstadt.«
Er legte den Kopf in den Nacken und streckte sich. Trotz der Hitze trug er einen ziemlich eleganten Anzug. Dazu ein weißes Oberhemd mitsamt Krawatte. Vielleicht um lässiger zu erscheinen und mich ein wenig in Sicherheit zu wiegen, dass mir im Augenblick keine Gefahr drohte, zog er sein Jackett aus, lockerte die Krawatte und krempelte die Ärmel hoch.
Eine Tätowierung auf seinem Unterarm leuchtete wie eine Neonreklame. Ein kleines h mit einem kurzen Strich oben drüber.
Ward lehnte sich vor, stützte die Ellbogen auf die Knie und legte das Kinn auf seine Fäuste. »Morgen früh schicken wir Sie zu der Adresse, die Sie uns gegeben haben. Wir wollen, dass Sie hineingehen.«
»Warum ich? Es muss doch jede Menge Leute geben, die Sie dorthin schicken können.«
»Ich denke an die Schockwirkung. Sie sind absolut die letzte Person, die Tomas Zakar in Bagdad erwarten würde. Auf diese Art und Weise treiben wir ihn aus seinem Versteck.« Er hielt kurz inne, um seinen nächsten Worten Nachdruck zu verleihen. »Außerdem
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