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Babylon: Thriller

Babylon: Thriller

Titel: Babylon: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. J. McIntosh
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Bibel finden wir das Buch Nahum sprachlich in der Zukunftsform. Wahrscheinlich hatten seine Übersetzer den Eindruck, dass der hebräische Text, der im Wesentlichen im Präsens verfasst war, nicht ›prophetisch‹ genug klang. Und es gibt noch eine Anzahl weiterer Hinweise, die enthüllen, dass Nahum durchaus über die Schlacht Bescheid wusste.
    In den beiden ersten Zeilen von Kapitel 2, Vers 4 ist von roten Schilden und in Scharlach gekleideten Soldaten die Rede. Das ist eine ziemlich genaue Beschreibung der Meder. Laut babylonischen Berichten leitete Kyaxares II., König der Meder, die Schlacht und wurde dabei von den Ummamandu, einem skythischen Stamm aus dem Norden, und den Babyloniern unterstützt. Die Meder waren tapfere Kämpfer, die am liebsten rote Kleidung trugen, um mögliche Wunden, die sie sich im Kampf zugezogen hatten, zu verbergen. Das hielt die Kampfmoral der eigenen Männer hoch und vermittelte den Feinden einen Eindruck von Unbesiegbarkeit.
    Nahums Kapitel 2, Vers 7, ›Die Tore (oder Schleusen) an den Strömen werden erbrochen: da verzagt der Palast‹, wird oft als Beweis herangezogen, dass das Buch eine Prophezeiung enthält.« Er wandte sich an Tomas. »Vielleicht können Sie uns an dieser Stelle weiterhelfen.«
    Ausnahmsweise schien Tomas erfreut zu sein, in die Diskussion miteinbezogen zu werden. »Bisher wurden keine Beweise für eine Überschwemmung Ninives gefunden. Für Feuer schon – die Stadt wurde zu großen Teilen niedergebrannt. Bisher wurden erst fünf der fünfzehn Tore Ninives ausgegraben: Halzi, Shamash, Adad, Nergal und Mashki. Rüstungen und Skelette, die an den Toren Halzi und Adad gefunden wurden, ließen einige Archäologen zu der Schlussfolgerung gelangen, dass an diesen Stellen die Angriffe am heftigsten erfolgten. Aber wir wissen, dass zwei Tore rechts und links des Punktes standen, wo der Fluss Khosr in die Stadt floss. Es ist durchaus möglich, dass diese Stellen – ich meine die Flusstore – zuerst angegriffen und geschleift wurden und dass die Soldaten auf diesem Weg ungehindert in die Stadt eindringen konnten. Wahrscheinlich ist es das, was in dem Text gemeint ist.«
    »Eine derart genaue Schilderung legt die Vermutung nahe, dass es sich um einen Augenzeugenbericht handelt und nicht um eine Prophezeiung«, pflichtete Ward ihm bei. »Was die Person Nahums betrifft, ganz gleich, ob das sein richtiger Name war oder nicht, stelle ich mir Folgendes vor: Er war ein begabter hebräischer Schreiber, der als junger Mann nach Ninive verschleppt wurde und für den berüchtigten Tyrannen Assurbanipal arbeiten musste. Der König hatte die umfangreiche Bibliothek aus Schrifttafeln, die in Ninive ausgegraben wurden, zusammengetragen. Sie bestand zum größten Teil aus Kopien babylonischer Texte, daher wissen wir, dass er viele talentierte Schreiber brauchte. Im Buch Nahum sind zahlreiche assyrische Begriffe enthalten, was ich als weiteren Beweis für meine Theorie werte. Nahums eigene Vorfahren erlebten wahrscheinlich den Terror der assyrischen Angriffe auf Samaria am eigenen Leib. Das alleine würde den ganz persönlichen Hass erklären, der in seinem Text zum Ausdruck kommt.«
    Ich hatte eine Frage. »Als Ninive unterging, musste Nahum da nicht nach den Maßstäben der damaligen Zeit ein alter Mann gewesen sein?«
    »Ja«, antwortete Ward. »Wahrscheinlich über sechzig und mit nicht mehr sehr vielen Jahren vor sich.« An den Fingern zählte er die nächsten Punkte auf. »Zuerst einmal ist das Buch so etwas wie ein Brief, mit dem Nahum seinen Kontaktpersonen in Juda einen genauen Bericht von den Kämpfen zukommen lässt. Zum Zweiten schickt er damit den Menschen in Juda eine Nachricht und warnt sie davor, Götzen und fremde Götter zu verehren. Drittens hat der Text noch eine weitere Funktion – nämlich die Macht zu schwächen, die die Göttin Ischtar über die Herzen und Gedanken der Menschen ausübt. Und viertens befriedigt das Buch Nahums eigenes Bedürfnis, seinen Rachegefühlen Luft zu machen. Er nimmt Ninives Untergang mit unverhohlener Genugtuung zur Kenntnis.«
    Keiner von uns erwähnte natürlich den fünften Punkt: Nahums verborgenen Hinweis auf das Versteck der von Assurbanipal auf seinen Feldzügen erbeuteten Schätze.

Zweiundzwanzig
    Nachdem wir uns bei Ward für seine Mithilfe bedankt hatten, verließen wir das Haus und gingen, jeder in seine eigenen Gedanken über das Gehörte versunken, in Richtung 9. Avenue.
    Tomas brach das Schweigen als Erster. »Ich

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