Babylon: Thriller
aus, als mir klar wurde, dass ich das Treffen mit Reznick, dem Strafverteidiger, völlig verschwitzt hatte. Mir war einfach zu viel durch den Kopf gegangen. Eilig wählte ich die Nummer seines Büros, konnte dort jedoch niemanden erreichen und musste mich damit begnügen, eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter zu hinterlassen.
Als ich mich zum Gehen wandte, warf ich einen Blick aus dem Fenster. Ein silberner Range Rover parkte direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Seine getönten Scheiben verhinderten, dass ich erkennen konnte, wer darinsaß. Ein Knoten bildete sich in meiner Magengrube. Ich öffnete das Fenster einen Spalt breit, konnte den Motor laufen hören und roch die Abgase. Ich musste irgendeinen Weg finden, das Fahrzeug näher in Augenschein zu nehmen, ohne dass Jacob Ward irgendetwas von meinen Problemen erfuhr.
Als ich in die Bibliothek zurückkehrte, stand er in imposanter Vortragshaltung vor dem Kamin und dozierte über irgendeinen biblischen Mythos.
»Ich denke, dass in Kürze die ersten Teilnehmer Ihres nächsten Treffens vor der Tür stehen«, sagte ich. »Ich hoffe, wir nehmen nicht zu viel von Ihrer Zeit in Anspruch.«
Er schaute auf die Uhr. »Wenn Sie jetzt schon kämen, wären sie eine Stunde zu früh hier. Ich habe noch über eine Stunde Zeit. Aber wie kommen Sie darauf?«
»Vor Ihrem Haus steht ein Geländewagen mit laufendem Motor.«
Er ging zum Fenster, blickte hinaus und lachte schallend. »Es ist halb sechs. Das ist mein Nachbar Lawrence Barry. Meine Kinder nennen ihn Larry-Barry, den Dreißig-Minuten-Mann. Er taucht jeden Tag um diese Uhrzeit hier auf und sitzt genau eine halbe Stunde lang in seinem Wagen.
»Nur um einen Parkplatz zu kriegen?«
»Man kann nicht vor achtzehn Uhr parken. Ein Bewohner in unserem Block machte einmal den Fehler, diesen Platz zu besetzen, fünf Minuten bevor Larry erschien. Der Mann war gerade erst eingezogen und hatte keine Ahnung, dass er einen Riesenfehler gemacht hatte. Er erlebte danach jeden Morgen eine unangenehme Überraschung. Ein Kratzer im Lack in der Nähe des Türgriffs, eine leere Cola-Flasche auf der Motorhaube, Hundedreck an der Stoßstange. Jeden Tag war es irgendetwas anderes. Nach zwei Wochen wurde ihm klar, was los war, und seitdem ist dieser Platz für Larry reserviert. Ich lasse meinen Wagen immer auf dem Universitätsparkplatz stehen und fahre mit der U-Bahn nach Hause. Mir ist dieses ganze Theater einfach nur lästig.«
Ward ging hinaus, um für uns etwas zu trinken zu holen, und kam mit einer Karaffe Eiswasser und einem Teller voller Kekse zurück. Er ließ sie herumgehen. »Das sind die besten. Mit Halbbitterschokolade und Erdnussbutter. Sie kommen aus Levain’s Bakery. Es ist immer gut, etwas Süßes zum Knabbern zu haben, wenn einen am Nachmittag der Hunger quält.«
Er hatte wirklich das unbestreitbare Talent, Leuten ein Gefühl der Gemütlichkeit und Ungezwungenheit zu vermitteln. Ich konnte verstehen, weshalb er so beliebt war. Aber ich nahm auch einige nicht ganz so harmonische Zwischentöne wahr. Er zog ganz eindeutig eine Show ab. Ich fragte mich, was für ein Mensch sich hinter dieser Fassade verbergen mochte.
Ich schaute zu Laurel. Sie war blass, wirkte nervös und lächelte nicht, als sie meinen Blick auffing. Ich erkundigte mich, wie sie sich fühle. Sie meinte, sie habe leichte Kopfschmerzen, könne es aber noch einige Zeit aushalten.
Ward schien nichts zu bemerken und fuhr fort. »Nahum heißt so viel wie ›Tröster‹. Das ist ein wenig seltsam. Wen tröstet er? Ganz sicher nicht die Assyrer. Man könnte annehmen, dass die Judäer mit Zufriedenheit zur Kenntnis nahmen, welches schlimme Schicksal ihre Feinde heimgesucht hatte. Aber in dem Werk sind auch versteckte Warnungen für sie enthalten, was ihnen blüht, wenn sie fremde Götter verehren.«
Ward ließ den Blick in die Runde schweifen, um sich zu vergewissern, dass wir ihm weiterhin aufmerksam zuhörten. Man konnte fast im Hintergrund den gedämpften Trommelwirbel hören. »Ich glaube, dass das Buch Nahum keine Prophezeiung enthält, sondern ein Augenzeugenbericht über die Niederwerfung und Zerstörung Ninives durch die Meder und die Babylonier ist. Ich wies ja bereits darauf hin, dass das erste Kapitel viel später hinzugefügt wurde.
Sie können sich gewiss vorstellen, dass ich damit keine sonderlich populäre Auffassung vertrete, aber ich habe einen interessanten Verbündeten«, dozierte Ward weiter. »In der King-James-Version der
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