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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Reich
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Motor an. Knöpfte die Hose auf und rieb sich den Schaft. In seinen letzten Zuckungen würde er an ihre kalten Augen denken und in ihnen versinken.
     
    *
     
    Sue hatte den Alten in ihrem Kopf sterben hören. Es juckte sie nicht wirklich. Bis zuletzt war kein Laut über seine Lippen gedrungen, nur sein Verstand hatte geschrien. Gierig hatte sie seine Lebensenergie aufgenommen. Was sie erfrischte wie ein Powernap ihre Kollegen. Nun kannte er ihre wahre Existenz. Bis zu ihrem Arbeitsplatz musste sie einmal umsteigen. Die Architekten waren in der Lage gewesen, das höchste Gebäude der Welt zu erschaffen, aber bei der Länge der Fahrzugseile waren sie an natürliche Grenzen gestoßen. Im einhundert-dreiundneunzigsten Stock öffneten sich die pneumatischen Türen und Sue trat hinaus auf den Gang. Vorbei am Strom der Drohnen im Bienenstock. Schweinsgesichter, dachte sie, alles Schweinsgesichter. Sie arbeitete nicht mit Menschen. Sie arbeitete mit Zahlen. Wenn sie vor ihrem Bildschirm saß und für große Firmen Summen bewegte, die Normalsterblichen Schweißperlen auf die Stirn gezaubert hätte, war sie zufrieden. Manchmal stand sie auf und bediente sich am Kaffeeautomat. Sue war der Traum jeglicher Werbeprofis für Bohnenkaffee. Sie trank ihn literweise zur Arbeit. Es war das Elixier, was sie am Leben erhielt. Ihre Lieblingsmarke war Cubana’s Best .
    „ Miss Miller, können Sie mir das Telefonverzeichnis der Nationalbank von Neuseeland heraussuchen.“
    „ Ja Chef.“
    Wie kriecherisch. So gar nicht ihre Art. Nur, weil sie noch nicht bis zum obersten Chef angelangt war, ihre Stöckelschuhe nicht über seinen Vorzimmerteppich bewegt hatte. Warte Sue, warte. Deine Zeit wird kommen .
     
    *
     
    „Miss Miller, ich kann Ihnen keine Gehaltserhöhung zahlen.“
    „ Und warum nicht?“
    „ Warum, warum. Wenn ich bei Ihnen anfangen würde, müsste ich den Anderen auch eine geben. Und so gut sah das letzte Wirtschaftsjahr einfach nicht aus. Das werden Sie verstehen.“
    „ Wissen Sie, gerade in einer Krise sollte man investieren. Wie sollte man sonst den Status quo erhalten?“
    „ Wenn sie auf Fortbildung gehen wollen, bitte. Da gebe ich ihnen meinen Segen. Wir fördern unsere Mitarbeiter, so gut wir können. Aber ein höheres Gehalt ist nicht möglich.“
    „ Branchengeheimnisse sind teuer. Und ich trage schwer an unserem kleinen Abenteuer nach der Weihnachtsfeier. Soll ich es ihrer Frau aufbürden? Ihrer lieben, fürsorglichen Frau? Ob die Ärmste soviel Gewicht aushalten würde?“
„Das wagen Sie nicht.“
    Harris war ganz blass geworden. Die Eiswürfel in seinem Evian klirrten.
    „Ich mache Ihnen ein freundschaftliches Angebot. Ab nächsten Montag sehe ich fünfhundert Dollar mehr auf meinem Scheck und ihre Frau erfährt von nichts.“
    „ Du kleines Miststück, was glaubst du eigentlich, wen du hier vor dir hast? Ich schmeiss dich raus. Scheiß auf die Gewerkschaft, ich sage einfach, du hättest das Betriebsklima erheblich gestört!
    Miss Carper, kommen Sie zum Diktat. Da staunst du, was? So schnell geht deine Kündigung raus.“
    Er erstarrte. Er hatte in eine leere Leitung gesprochen. Sue’s Finger lag auf der Unterbrechen-Taste.
    „ Keine Spielchen, Boss. Wenn ich will, verklage ich sie wegen sexueller Belästigung. Der ganze Laden weiß, dass sie hinter meinem Rockzipfel her sind. Es dürfte mir ein Vergnügen sein.“
    In seinem Hirn ratterte es. hörbar.
    „Du hast gewonnen.“
    „ Och. Es geht doch nicht ums Siegen oder Verlieren. Es war ein Akt unter Freunden.“
    „ Sag dieses Wort nicht!“
    „ Akt?“
    „ Nein, Freunde.“
    „ Dann haben wir uns verstanden.“
    Stöckelschuh-trippelnd zog Sue von dannen.
    „Miss Carper?“
    „ Ja, Boss?“
    „ Geben Sie eine Meldung an die Lohnbuchhaltung raus. Ab sofort bekommt Miss Miller einen Bonus von fünfhundert Dollar monatlich. Und-
    „ Ja, Boss?“
    Er schwitzte. Funktionierte die Klimaanlage nicht?
    „Geben Sie es Miss Miller (dieser verdammten Fotze) schriftlich.“
    „ Wird gemacht.“
    „ Gut, das wär’s.“
    Auf Harris Schreibtisch stand ein Bilderrahmen aus Bleikristall, ein Geschenk von Smith & Wesson. Seine Frau und seine kleine Tochter sahen ihn an. Jeden Morgen, wenn er sich zur Arbeit setzte, starrten sie ihn an. Laut knallte es, als er den Bilderrahmen mit einer ausholenden Geste von der Platte fegte. Er begrub sein Gesicht unter verschränkten Armen und weinte.
     
    *
     
    Sues Arbeit bestand hauptsächlich im Aufkaufen von

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