Baccara Collection 186
flehte das Mädchen.
Linc zog sie in die Arme. Er hätte viel darum gegeben, ihren Wunsch zu erfüllen, aber ihm waren die Hände gebunden. „Du hast doch mich, Nikki. Wir brauchen keinen Dritten.”
„Das ist nicht das Gleiche!” Nikki schubste ihn weg. „Ich brauche Meg, sie versteht mich. Musst du mir alle Menschen nehmen, die mir etwas bedeuten?”
Linc war erschüttert. Offenbar hielt ihn das Mädchen immer noch für schuldig am Tod ihrer Eltern. „Sag doch nicht so was, Nikki, ich liebe dich.”
„Tust du nicht!” Tränen liefen ihr die Wangen hinunter. „Sonst würdest du Meg nicht gehen lassen. Ich hasse dich”, schrie sie und floh. Kurz darauf hörte man ihre Tür so laut knallen, dass es das Haus in seinen Grundfesten hätte erschüttern können.
Linc saß wie erstarrt in der Küche. Längst war seine Wut verflogen und hatte einer dumpfen Leere Platz gemacht, einer Leere, wie er sie verspürt hatte, als er vom Unfall seiner Eltern erfahren hatte. Nun würde er auch noch Nikki verlieren, und er konnte nichts dagegen unternehmen. Ungestüm stand er auf, riss seinen Hut vom Haken und setzte ihn auf. „Bin zum Abendessen zurück”, rief er Dora zu.
„Linc Stoner, du bleibst hier!” Doras scharfer Befehl, ein Tonfall, den er seit Jahren nicht mehr gehört hatte, bewirkte, dass er sofort stehen blieb.
„Du benimmst dich wie ein kleines Kind: Mit Weglaufen ist weder dir noch deiner Schwester gedient.”
Verlegen starrte Linc auf seine Schuhspitzen. Schon lange hatte er sich nicht mehr so hilflos gefühlt, nicht mehr seit sein Vater betrunken nach Hause gekommen war und ihn im Rausch verprügelt hatte.
„Ich kann gar nichts tun, ehe Nikki sich nicht wieder beruhigt hat.”
„Meg war die Einzige, die zu ihr durchgedrungen ist. Wenn sie nicht bleibt, verlierst du auch Nikki.”
„Sie muss gehen.” Meg hatte ihn eiskalt belogen. Nicht einmal, als sie in seinen Armen lag, hatte sie ihm die Wahrheit gesagt.
„Ich habe wirklich geglaubt, dass sich zwischen euch beiden etwas anbahnt.”
Tja, das hatte er auch gedacht, deshalb tat es ja so weh. „So kann man sich täuschen!”
„Ach ja? Ich hab doch Augen im Kopf.”
„Jetzt reicht’s aber, Dora!” schimpfte Linc.
„Nicht in diesem Ton, Linc Stoner. Dich hat es hoffnungslos erwischt, das sieht ein Blinder. Wenn du noch ganz bei Trost wärst, hättest du ihr längst einen Antrag gemacht. Dann steckten wir jetzt nicht alle in diesem Schlamassel.” Dora verschränkte die Arme und lächelte verschmitzt. „Ich bin ziemlich sicher, dass Meg Ja gesagt hätte. Und dann könntet ihr gemeinsam für Nikki sorgen.”
„So ein Unsinn”, widersprach Linc, aber seine Gedanken überschlugen sich. Doras Vorschlag war gar nicht so abwegig. Aber heiraten?
Nachdenklich ging er auf die Veranda. Der Anblick der saftigen grünen Weideflächen, an dem er sich nie satt sehen konnte, besänftigte ihn. So großartig die Ranch auch war, richtig geborgen fühlte er sich hier erst, seit Joe und Pauline ihm gezeigt hatten, dass sie ihn wie einen Sohn liebten. Genau dieses Gefühl musste er jetzt Nikki vermitteln. Er sollte sich schleunigst etwas einfallen lassen, ehe es zu spät war, um den Riss zu kitten, der sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
Wenn Meg auf die Idee käme, eine Vormundschaftsklage anzustrengen, hätte sie vermutlich gute Chancen. Sie war Nikkis leibliche Schwester, und das Mädchen liebte sie, während sie behauptete, ihn zu hassen. Gab es denn keinen anderen Ausweg? Musste er ausgerechnet seine Konkurrentin heiraten, um seine Schwester nicht zu verlieren? Aber so sehr er sich auch den Kopf zerbrach, er entdeckte keine Alternative.
Kurz entschlossen kehrte er ins Haus zurück. Ehe er sich eines Besseren besinnen konnte, stand er vor Megs Zimmer und klopfte.
Meg öffnete sofort. Sie trug die dunkle Hose und das weiße Oberteil, das er aus San Antonio kannte. Die Haare hatte sie zurückgekämmt, und Linc spürte plötzlich das Verlangen, die weichen Strähnen zu berühren.
„Ich bin reisefertig, wenn du das wissen wolltest.” Meg deutete hinter sich. „Die Unterlagen für Nikkis Unterricht liegen auf der Kommode. Meine Nachfolgerin kann da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Hilfst du mir, meine Sachen hinunterzutragen?”
„Nein.” Unaufgefordert betrat Linc den Raum. „Du bleibst.”
Meg riss die Augen auf.
„Es geht nicht anders”, brummte Linc anstatt einer Entschuldigung, die er nicht über die Lippen
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