BACCARA EXKLUSIV Band 45
würde.
Aber jetzt – sobald sie zu Atem gekommen war – war es Zeit für einen neuen Angriff auf das verflixte Dielenbrett auf ihrer Veranda, über das sie inzwischen mindestens ein Dutzend Mal gestolpert war. Morgen konnte sie dann den Rest der Sträucher aus den Klauen dieses gefräßigen Weinstocks befreien.
Sarah cremte ihre Hände ein und griff zur Tageszeitung, die in der nächstgelegenen Stadt herausgegeben wurde. Sie nippte an ihrer Milch, überflog Artikel über Leute, die sie nicht kannte und die sie nicht kannten. Es gab keine einzige Nachricht von internationaler Bedeutung, ja nicht einmal einen politischen Kommentar, und genau das gefiel ihr. Sie las die Todesanzeigen von Leuten, von denen sie noch nie gehört hatte, die Hochzeitsanzeigen junger, hoffnungsvoller Paare, die nicht wussten, welche Fallstricke ihnen in den Weg gelegt werden würden. Sie las Anzeigen über goldene Hochzeiten und fragte sich, ob diese Paare wussten, wie glücklich sie sich schätzen konnten, und versuchte, nicht in Selbstmitleid zu schwelgen. Schließlich würde sie selbst dann nicht ihr altes Leben zurückhaben wollen, wenn sie die Wahl hätte.
Sie las über Clubtreffen und Kostümfeste und den Fortschritt des hiesigen Museums, über eine Kunstausstellung und eine Bootsregatta, bei der sie vielleicht sogar zusehen und sich zum ersten Mal wieder unter Mensch begeben würde.
Irgendwann musste sie sich wieder in die Welt hinauswagen und sich Arbeit suchen. Sie würde einen Weg finden müssen, sich zu ernähren, obwohl sie nichts weiter als ein Diplom der Geisteswissenschaften vorzuweisen hatte. Kittys Bedürfnisse würden mit den Jahren anspruchsvoller werden, und das Geld aus ihrem Treuhandvermögen reichte nicht mehr lange, wenn sie es weiterhin so schröpfte, aber sie weigerte sich, auch nur einen Penny von ihrem Vater anzunehmen, denn bei J. Abernathy Jones war jedes Entgegenkommen an Bedingungen geknüpft.
Eine andere Möglichkeit wäre Clive Meadows. Sie kannte Clive seit Jahren. Sie war früher oft in seinem Strandhaus zu Besuch gewesen. Sarah hatte nur eine seiner drei Frauen kennengelernt und war entsetzt gewesen, dass das Mädchen so jung war.
Die Freunde ihres Vaters waren ihr nur selten sympathisch, und Clive war nicht besser und nicht schlechter als die meisten. In der Zeit, bevor sie Stan geheiratet hatte, war Clive gerade wieder mal geschieden. Er hatte sie damals oft zum Dinner ausführen wollen. Sie hatte immer abgelehnt, indem sie andere Verabredungen vortäuschte.
Trotzdem war Clive zur Stelle, um sie zu trösten, als Stan den Unfall hatte. Und er half ihr bei den Formalitäten. Sie war ihm dankbar gewesen für seine Hilfe, aber sie war froh, dass sie inzwischen mit ihren siebenunddreißig Jahren viel zu alt für einen Mann mit seinen Vorlieben war – seine Frauen waren schließlich alle kaum aus dem Teenageralter heraus gewesen. Andererseits, dachte sie manchmal, hatte sie sich sein Interesse vielleicht auch nur eingebildet. In ihrer Unerfahrenheit konnte sie sein Schultertätscheln, einige onkelhafte Umarmungen und die Einladung in sein Strandhaus auch missdeutet haben.
In jedem Fall war sie jetzt sicher vor ihm, und solange sie Geld für Kittys Unterhalt schicken konnte, hatte sie auch die Absicht, hier zu bleiben. Einsamkeit war nur ein geringer Preis für ihren Seelenfrieden.
Randall fuhr über die Autobahn und summte geistesabwesend eine Melodie aus dem CD-Player mit. Da er in den letzten Jahren aus der Übung gekommen war, traf er nur etwa jede fünfte Note, aber das blieb ein Geheimnis zwischen ihm und dem Komponisten.
Randall war zufrieden, ja fast selbstgerecht, was immer noch besser war, als überhaupt nichts zu fühlen. Endlich geschah etwas, das ihn aus seiner Höhle lockte.
Ihm war zwar der Gedanke gekommen, jemand anders könnte Sarah inzwischen gewarnt haben, aber falls nicht, musste sie unbedingt erfahren, welche Bombe bald platzen würde. Wahrscheinlich würde nicht viel geschehen – ein paar Erwähnungen im Fernsehen und ein kurzes Aufwärmen der alten Skandale in den Klatschblättern. Spätestens nach einer oder zwei Wochen würde das Interesse der Öffentlichkeit vermutlich erlahmen, aber bis dahin wäre es besser für sie, auf der Hut zu sein.
Außerdem brauchte er unbedingt eine Aufgabe. In letzter Zeit wurde er immer unruhiger. Das Problem war, dass er zwar beschlossen hatte, sich zur Ruhe zu setzen, sein Gehirn sich jedoch weigerte, das einfach so zu
Weitere Kostenlose Bücher