BACCARA EXKLUSIV Band 45
akzeptieren.
Also würde er die Witwe warnen, und wenn er schon mal in der Gegend war, sich nach etwas Interessantem umsehen. Randall pfiff die bekannte Melodie von „Finlandia“ mit und fragte sich, wie lange er schon nicht mehr so entspannt gewesen war. Früher hatte er immer mitgesungen, aber inzwischen war es Jahre her, dass er sich für irgendetwas begeistert hatte.
Die Weckfunktion an seiner Armbanduhr schaltete sich um Punkt zwölf ein, und Randall stellte den CD-Player aus und das Radio an.
Er wechselte den Sender und hörte den Schluss eines Berichts über einen Flugzeugabsturz und anschließend den Landwirtschaftsbericht. Nichts über das Buch von Cudahy. Vielleicht hatte er die Gefahr überschätzt. In jedem Fall legte er sich jetzt am besten eine Rede zurecht. „Mrs. Sullivan, ich bin freier Journalist und bin gekommen, um Sie zu warnen …“
Nicht sehr gut. Wenn man bedachte, was sie in den vergangenen Jahren durchgemacht hatte, war das vielleicht nicht die beste Vorgehensweise. In der Regel ging er direkt auf seine Gesprächspartner zu, aber in diesem Fall würde er damit wohl nur bewirken, dass sie ihn in hohem Bogen aus dem Haus warf. Sie hatte keinen Grund, die Presse willkommen zu heißen.
Es war noch nicht zu spät, das Ganze abzublasen. Er könnte nach Chevy Chase zurückkehren, erfrischt von seiner Spritztour aufs Land, und sich entweder noch ein paar Baseballspiele ansehen oder seine Version des großen amerikanischen Romans beginnen. Die Geschichte eines zynischen Reporters, der sich schon halb zur Ruhe gesetzt hatte und der einen Weg fand, allen nationalen und ideologischen Kämpfen ein Ende zu setzen.
Aber da er schon mal in der Nähe war, konnte er genauso gut Mrs. Sullivan seine Aufwartung machen. Vielleicht würde sie ihm sogar eine Tasse Tee anbieten. Oder ein Käsesandwich.
Es war ihm leichtgefallen, sie ausfindig zu machen. Schließlich hatte er seine journalistischen Fähigkeiten noch nicht ganz verloren. Keiner ihrer früheren Freunde hatte ihm helfen können oder wollen, also war er zum Katasteramt gegangen. Und dort war er fündig geworden.
Allerdings, wenn er es geschafft hatte, würden auch andere es fertigbringen. Randall kannte Sarah Mariah Jones Sullivan nicht, abgesehen von ihrer einzigen kurzen Begegnung. Aber wenn sie auch nur annähernd so verletzlich war, wie sie während der Voruntersuchungen gewirkt hatte – und wie sie ihm vor mehr als zwanzig Jahren vorgekommen war –, dann konnte sie einen Freund gut gebrauchen.
Er drosselte die Geschwindigkeit und nahm die Ausfahrt nach Snowden, überquerte ein Bahngleis und hielt Ausschau nach einer Schotterstraße, die nach rechts abzweigen sollte. Er entdeckte sie kurz darauf und bog ab. Seiner Karte zufolge sollte irgendwann eine weitere Abzweigung folgen.
Und da war sie auch schon, flankiert von zwei schiefen Pfosten, von denen einer einen Briefkasten stützte und der andere eine Zeitungsbox. Auf dem Briefkasten stand der Name Gilbert, der, wenn Randalls Gedächtnis ihn nicht täuschte, der Verwandten gehörte, von der Sarah das Haus geerbt hatte. Er nahm die Abzweigung und hielt nach etwa hundert Metern hinter einem verstaubten roten Wagen an. Nach kurzem Zögern stieg er aus und ging zu Fuß den sich krümmenden, zerfurchten Weg hinunter. Als er um eine Biegung kam, sah er einen mit einer Videokamera bewaffneten Mann auf das Haus zulaufen.
Offenbar stellten seine Befürchtungen sich als richtig heraus. Sarah war kurz davor, schon wieder im Fadenkreuz der Klatschpresse zu landen. „Sie da! Sie, mit der Kamera!“
Der Mann blickte über die Schulter zurück, aber statt stehen zu bleiben, legte er noch einen Zahn zu. Randall sagte sich, dass es sich auch um einen harmlosen Naturliebhaber handeln könnte, aber er bezweifelte es. Die Art, wie der Mann sich ständig über seine Schulter umsah, kam ihm denn doch zu verstohlen vor.
Wenn er etwas gelernt hatte in den mehr als zwanzig Jahren seiner Karriere, dann, dass Fotos vielleicht logen – ebenso wie Menschen, ob nun vorsätzlich oder nicht –, dass aber das menschliche Unterbewusstsein einem Lügendetektor sehr nahekam. Wenn man es zu deuten wusste.
Der Mann hatte den Vorteil der Jugend und eines gewissen Vorsprungs auf seiner Seite. Deshalb blieb Randall stehen, als er die Hälfte des Wegs hinter sich hatte, steckte die Finger in den Mund und stieß einen schrillen Pfiff aus. Manchmal stach das Unerwartete selbst den besten Trumpf aus.
Der junge Mann blieb
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