BACCARA EXKLUSIV Band 45
er so viel Interesse an einer Frau zeigte, die er nur ein einziges Mal getroffen hatte, und das vor mehr als zwanzig Jahren, konnte er sich nicht erklären. Vielleicht weil es jetzt in seinem Leben eine große, gähnende Leere gab.
In jedem Fall musste man einen Menschen davor warnen, dass die Geier bald über ihm kreisen würden.
2. KAPITEL
Sarah bewegte ihre schmerzenden Hände und betrachtete die neueste Ansammlung von Verletzungen. Die Quetschung am Daumen war von gestern. Den kleinen Finger hatte sie sich vor ein paar Tagen verstaucht. Die heutigen Kratzer waren nur ein unwichtiges Ärgernis, aber sie würde wirklich besser aufpassen müssen. Zum Glück hatte sie sich eine Tetanusspritze geben lassen.
Dabei hatte sie nur versucht, die Sträucher, die schon seit Jahrzehnten vernachlässigt worden waren, von den wilden Weinranken zu befreien. Das Gestrüpp drohte sogar die Regenrinne zu verbiegen, aber sie konnte die verflixten Dinger nicht beschneiden, bevor sie nicht die lästigen Weinranken entfernt hatte.
Doch sie war schon froh, wenn steife Finger und ein paar Kratzer alles waren, was sie sich diesmal zugezogen hatte. Die Insektenstiche, die sie sich vor einigen Tagen eingefangen hatte, juckten immer noch fürchterlich, und vergangene Woche musste sie mit einem Spiegel und einer Pinzette eine Zecke aus einem unzugänglichen Körperteil herausziehen. Es hatte gewisse Nachteile, wenn man allein lebte, aber die Vorteile überwogen eindeutig.
Sarah schenkte sich ein Glas Milch ein und machte sich ein Vollkorn-Sandwich mit Mozzarella. Dabei kam sie sich sehr tugendhaft vor, da sie viel lieber einen Hamburger mit Pommes frites gegessen hätte. Sie ging mit ihrem Tablett ins Wohnzimmer, schleuderte die Schuhe von den Füßen und streckte sich auf einem Sessel aus, der ein halbes Jahrhundert jünger war als die übrigen Möbel ihrer Großtante. Es war eines der wenigen wirklich gemütlichen Stücke im Haus.
Auf einem wackligen Tischchen stand ein Fernseher, der vor mehreren Jahren seinen Geist aufgegeben hatte und seitdem nicht repariert worden war. Sarah hatte nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Sie beschloss, den Tisch demnächst von seiner nutzlosen Last zu befreien und ihn mit einer Topfpflanze zu dekorieren. Sie besaß ein Radio und hatte die „Daily Advance“ abonniert. Einmal wöchentlich fuhr sie zum Lebensmittelladen und gelegentlich zur Post – und darauf beschränkte sich ihr Kontakt zur Außenwelt. Sollte der Dritte Weltkrieg ausbrechen oder ein Tornado drohen, vertraute sie darauf, dass einer der Nachbarn sie warnte.
Es hatte sie nicht überrascht, dass das Leben ihrer verstorbenen Großtante sehr viel besser zu ihr passte als der Trubel im vorstädtischen Washington. Sarah hatte Washington und die politische Szene gehasst. Aber sie hatte keine Wahl gehabt, denn sie war in diese Kreise hineingeboren worden. Und dann hatte sie auch noch den Fehler begangen, einen Mann mit politischen Ambitionen zu heiraten. Sie hoffte nur, dass sie ihre Rolle bis zum bitteren Ende kompetent, wenn auch mit einem offensichtlichen Mangel an Begeisterung, gespielt hatte.
Während des Presserummels um ihren Vater hatte Stan sich als völlig nutzlos erwiesen. Er war regelrecht zusammengebrochen. An den wenigen Abenden, an denen er zu Hause blieb, betrank er sich, noch bevor sie das Essen serviert hatte. Damals hatte sie nicht verstanden, warum er so in Panik geraten war. Er hatte unmöglich in die Machenschaften ihres Vaters verwickelt sein können, denn das wäre ziemlich schnell ans Tageslicht gekommen.
Stan Sullivan war ein Mann mit makellosen Manieren und dem Gesicht eines charmanten Chorknaben mit viel Sex-Appeal. Allein sein treuherziges Lächeln brachte ihm unzählige Frauenstimmen ein. Er hatte einen offenen, ehrlichen Eindruck gemacht und sich erfrischend von den anderen abgehoben. Sarah erinnerte sich, dass sie ihn einmal trösten wollte. Sie sagte ihm, dass er sich nicht schuldig fühlen sollte und dass keines der Verbrechen ihres Vaters seine Schuld sei. Sein einziges Vergehen war, dass er die Tochter des Senators geheiratet hatte.
Sie hatte es lächelnd gesagt, so gut sie ein Lächeln damals zustande bringen konnte, aber er hatte nichts erwidert, weder zu seiner Verteidigung, noch zu ihrer. Sie hatte nicht erwartet, dass er ihren Vater in Schutz nahm, was der Senator getan hatte, war unentschuldbar gewesen, aber er hätte sie wenigstens von der Schuld freisprechen können, J. Abernathys Tochter
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