BACCARA EXKLUSIV Band 45
zu sein.
Er hatte es nicht getan. Etwas über ein Jahr nach der Voruntersuchung durch den Senat fing ihr Mann an, sich seltsam zu benehmen. Sie versuchte, verständnisvoll zu sein, immerhin war alles auch für Stan eine Qual gewesen. Sie nahm sich damals vor, ihm vorzuschlagen, gleich nach dem Ende seiner Amtsperiode ihr Haus zu verkaufen und sich nicht wieder zur Wahl zu stellen. Sie konnten irgendwohin gehen und von vorn anfangen.
Und dann war eine neue Hölle losgebrochen, und alles hatte von vorn begonnen. Es war der gleiche Albtraum, nur diesmal noch hässlicher. Die ersten Tage hatte Sarah sich einfach geweigert, die Wahrheit zu akzeptieren. Aber als Stan ihr in einem selten nüchternen Zustand alles gebeichtet hatte, war sie fast verzweifelt. Addie, die alte Haushälterin, die für sie wie eine Mutter war, wollte zu der Zeit eigentlich in Pension gehen und zu ihrer Enkeltochter nach South Carolina ziehen, doch sie war Sarah zuliebe geblieben, weil sie wusste, wie verzweifelt Sarah sie brauchte.
Während jedes schmutzige kleine Geheimnis ihres Mannes gelüftet wurde – jedes Geheimnis bis auf eins, dem Himmel sei Dank –, hatte ihr Vater, der Senator, es vorgezogen, von der Bildfläche zu verschwinden und sich im Strandhaus seines Freundes Clive Meadows in North Carolina zu verkriechen. Sie hatte keinen Grund gehabt, Beistand von ihm zu erwarten, denn er war noch nie für sie da gewesen.
Im Nachhinein glaubte Sarah, dass er richtig gehandelt hatte. Seine Anwesenheit hätte nur die Vergangenheit wieder aufgewühlt. Ein Skandal zurzeit war gerade so viel, wie sie verkraften konnte.
Sie würde ihrer Großtante Emma ewig dankbar für ihr Vermächtnis sein. Sarah hatte die Schwester ihrer Großmutter mütterlicherseits einige Male in ihrer Kindheit besucht und sich dabei in das alte Farmhaus verliebt. Als ihre Mutter noch lebte, hatten sie ab und zu Großtante Emma besucht. Einige wenige Male blieben sie über Nacht bei ihr. Sarah war elf gewesen, als sie das letzte Mal ein ganzes Wochenende in dem alten Haus verbrachten. Sie erinnerte sich, dass sie mitten in der Nacht mit fürchterlichen Bauchschmerzen aufgewacht war, überzeugt davon, dass sie sterben musste. Tante Emma und ihre Mutter hatten ihr Weinen gehört und waren in ihr Zimmer geeilt.
„Mariah Gilbert, hast du dem Kind nicht gesagt, was es erwartet?“, hatte Emma streng gefragt. Sie hatte für den Senator nie etwas übrig gehabt und es vorgezogen, die Tatsache zu ignorieren, dass ihre Nichte ihn geheiratet hatte.
„Man unterrichtet diese Dinge in der Schule, Tante Emma. Ich bin sicher, sie weiß schon alles darüber. Nicht wahr, Liebes?“
Aber Sarah wusste nur, dass sie dabei war zu sterben. Und so erklärte Emma ihr, dass ihr Körper sie darauf vorbereitete, später Kinder zur Welt bringen zu können. Und das hatte Sarah sogar noch mehr in Angst und Schrecken versetzt als die Bauchschmerzen selbst. Aber die beiden Frauen hatten sie beruhigt, ihr eine Tasse heißen, gezuckerten und verwässerten Whiskey gegeben und ihr eine Wärmflasche auf den Bauch gelegt.
Danach waren sie nicht mehr oft bei Tante Emma gewesen. Bald darauf hatte Sarahs Mutter erfahren, dass sie an Leukämie erkrankt war, und Sarah hatte ihre Großtante in den folgenden Jahren fast vergessen. Als Mariah gestorben war, war Emma von einem Nachbarn zur Beerdigung gefahren worden. Sarah hatte nur ein paar Minuten mit ihr allein sein können. J. Abernathy, kamerawirksam außer sich vor Schmerz über den Tod der Frau, die er seit Jahren vernachlässigt hatte, hatte darauf bestanden, dass seine Tochter ständig an seiner Seite blieb.
Aber Sarah war brieflich mit ihrer Tante in Kontakt geblieben. Als Emma im Alter von vierundachtzig Jahren starb, vermachte sie ihrer Großnichte ihr gesamtes Hab und Gut, das aus dem Haus, einem zerbeulten alten Auto und einigen Hektar Land bestand.
Es war fast so, als hätte sie gewusst, dass Sarah schon bald ein neues Zuhause brauchen würde, ein Zuhause, das ihr das Einzige bot, das sie vor allem anderen auf der Welt zu schätzen wusste: Abgeschiedenheit. Hier hatte sie Ruhe gefunden. Hierher konnte ihr die Welt nicht nachfolgen. Und wenn sie sich manchmal einsam fühlte, so nahm sie das gern hin. Schon nach dem ersten Skandal hatte sie jeden Kontakt mit ihren Freunden abgebrochen – mit denen, die sich nicht schon von selbst von ihr losgesagt hatten. Hier gab es nur wenige Nachbarn, und die nächsten waren immer noch eine Meile entfernt.
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