BACCARA EXKLUSIV Band 45
nicht.“
„Wir konnten nur an wasserfeste Filzstifte gelangen“, erzählte er und fuhr mit dem Rasierer erneut über ihre Haut. „Aber entgegen der Werbung waren sie doch irgendwann abwaschbar.“
Er war ihr so nahe, dass sie sein Aftershave riechen und seine Wimpern zählen konnte. Ein eigenartiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus, während er sinnlich langsam ihr Bein rasierte.
„Diese Jungs waren für mich wie Brüder“, murmelte er.
Jenna bemerkte den leicht sehnsüchtigen Unterton und legte den Kopf schräg. „Warum versuchst du nicht, einige von ihnen wieder aufzuspüren?“
„Ich weiß nicht. Manchmal entwickeln sich die Menschen nicht so, wie man hofft.“ Er sah ihr in die Augen. „Außer in deinem Fall. Jeder wusste, dass Jenna Jean eines Tages jemand Wichtiges wird.“
Dieses aufrichtige Kompliment tat ihr gut. „Danke, aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir.“
Er ließ den Blick über ihren Körper schweifen. „Auf mich machst du den Eindruck, als hättest du es sehr gut getroffen.“
Ihre Haut prickelte, und ihr wurde heiß. Trotz der Tatsache, dass sie sich nicht unbedingt im besten Zustand befand, gab Stan ihr das Gefühl, attraktiv zu sein. Verwirrt fragte sie sich, ob ein gebrochenes Bein auch Auswirkungen auf das Gehirn haben konnte. Jenna räusperte sich. „Du bist sehr gut mit diesem Rasierer.“
Mit einem letzten langen Schwung beendete er seine Arbeit und begann nun, ihr Bein abzuwaschen. „Ich liebe meinen Job“, entgegnete er augenzwinkernd.
„Was liebst du daran?“
„Wahrscheinlich ist es eine Art Helferkomplex. Es gefällt mir, Leute wieder zusammenzusetzen.“
Ihr Respekt vor ihm wuchs, ebenso ihre Neugier. „Wie viele Beine rasierst du?“
„Gewöhnlich tue ich so etwas gar nicht. Du hast eine Sonderbehandlung bekommen.“
„Weil ich Staatsanwältin bin, oder weil ich dich früher im Streetball geschlagen habe?“
„Weder noch. Ich mochte deine Beine nur schon immer.“
In den nächsten zwei Wochen war Jenna auf Maddies Hilfe und die ihrer Brüder angewiesen. Sie hasste den Gips und war ungeduldig wegen der Schmerzen und ihrer allgemeinen Schwäche.
Die Stunden der erzwungenen Ruhe zu füllen und ein Ventil für ihre Energie zu finden war besonders schwierig. Da sie es gewohnt war, an drei Tagen in der Woche durch den Park zu joggen, beklagte sie ihre Untätigkeit umso mehr. Vorher hatte ihr Terminplan ihr kaum die Zeit zum Luftholen gelassen. Jetzt hatte sie auf einmal viel zu viel Zeit.
Vor allem viel zu viel Zeit zum Nachdenken. Zum Beispiel darüber, wie wenigen Menschen sie es erlaubt hatte, ihr nahezukommen. Einerseits konnte sie es kaum erwarten, endlich wieder zu arbeiten. Andererseits wollte sie mehr. Da es zum ersten Mal seit Jahren nichts gab, was Jenna ablenkte, warf sie einen prüfenden Blick auf das, was sie für ihre Karriere geopfert hatte.
Ihre körperliche Verletzbarkeit machte ihr ihre sanftere Seite bewusst. Sie fühlte sich dabei so beunruhigt und unbeholfen, wie auf Krücken zu gehen, denn sie hatte stets alles darangesetzt, die für den Erfolg nötige Härte zu erlangen. Dennoch hatte es in der stillen Dunkelheit ihres Hauses Nächte gegeben, wo sich diese Härte wie ein Kleidungsstück anfühlte, das nicht richtig passte. In diesen Nächten hatte sie sich danach gesehnt, jemanden zu halten und gehalten zu werden.
Sie fragte sich, wie es wohl wäre, einen Mann in ihrem Leben zu haben. Keinen Ehemann und nicht notwendigerweise einen leidenschaftlichen Liebhaber. Aber doch einen netten Mann, dem sie etwas bedeutete. Jemand, mit dem sie die kleinen Dinge des Lebens teilen konnte. Diese Vorstellung erschien ihr sehr verlockend, und wie ein Foto in einem Medaillon blieb sie die ganze Zeit bei ihr, selbst als sie wieder anfing zu arbeiten.
Nachdem sie wieder an die Arbeit zurückgekehrt war, kam es ihr geradezu wie ein Geschenk vor, mit ihrem Vorgesetzten über ihren Traum, Richterin zu werden, sprechen zu können. Sorgsam ihre Worte wählend, offenbarte sie ihm ihr Ziel. Seine Reaktion darauf war jedoch keineswegs wie erträumt.
„Er hat gelacht“, berichtete Jenna geknickt ihren beiden besten Freundinnen Emily Ramsey und Maddie Blackwell am Abend dieses Tages. Emily war auf Besuch aus North Carolina gekommen, und die drei Frauen hatten sich verabredet. Unglücklicherweise war dies für Jenna der schlimmste Tag ihres Lebens. Und zu allem Übel schmerzte ihr Fuß. „Der Oberstaatsanwalt hat gelacht, als ich ihm
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