BACCARA EXKLUSIV Band 49
einem solchen Zustand sehen zu müssen. Zwei Kinder guckten zur Tür heraus. Beide waren offensichtlich zu Tode erschrocken.
Delia dachte nicht nach, was sie tun sollte, sie reagierte einfach. Plötzlich stand sie auf der Veranda neben Carmen und hockte sich hin, um dem Jungen und dem Mädchen in die Augen sehen zu können. Beide beobachteten sie, sagten aber nichts.
„Habt keine Angst“, begann Delia mit leiser Stimme. „Es ist nur eine Menge Lärm. Bald wird es vorbei sein.“
Die beiden starrten sie weiter schweigend an.
„Sprecht ihr Englisch?“ Delia fiel ein, dass die Kinder sie vielleicht nicht verstehen konnten.
Das ältere nickte vorsichtig. „Kommt mein Papa ins Gefängnis?“
„Vielleicht“, gab Delia zu. „Aber es könnte das Beste sein …“ Bevor sie den Satz beenden konnte, spürte sie eine starke Hand an ihrem Arm und wurde hochgerissen.
„Was tun Sie da?“ Tony wirkte wie ein Raubtier, das gleich angreifen würde.
„Wer sind Sie?“ Carmen sah Delia misstrauisch an.
„Ich … die Kinder …“ Delia zuckte hilflos die Schultern. „Sie hatten Angst, und …“
Carmen warf einen schuldbewussten Blick auf ihre Kinder. Dann drehte sie sich wieder zu ihrem Mann um. „Siehst du, was du getan hast? Du hast sie erschreckt. Jetzt komm sofort ins Haus und entschuldige dich. Stell dir vor, wie sie sich fühlen, wenn sie ihren Vater wie einen …“Wieder wechselte sie ins Spanische.
Joe stand wie ein Häufchen Elend draußen und starrte auf seine Cowboystiefel. Dann sah er auf, lächelte seine Frau hoffnungsvoll an und ging hinein. Carmen folgte ihm und warf die Tür hinter sich zu.
Delia grinste. Sie freute sich darüber, wie die Sache ausgegangen war, obwohl Griffin ihren Triumph nicht teilte. Während die Schaulustigen allmählich verschwanden, sah der Sergeant Delia weiter böse an.
Tony sagte kein Wort. Er fürchtete, dass er explodieren würde, wenn er den Mund öffnete. Vielleicht würde er Delia Pryde dann schütteln, bis ihre Zähne klapperten. Mit finsterer Miene stieg er wieder in seinen Streifenwagen.
„Sie scheinen nicht zufrieden zu sein“, begann Delia schließlich, nachdem sie ein paar Häuserblocks weiter gefahren waren.
Tony biss die Zähne zusammen. „Wenn Sie sich so etwas jemals wieder leisten …“
„Was meinen Sie? Ich finde, dass ich es ziemlich gut gemacht habe.“
„‚Die Kinder … sie hatten Angst.‘“ Tony imitierte ihre Stimme. „Ich bitte Sie.“
„Es hat doch funktioniert, oder? Ich habe nicht bemerkt, dass Sie etwas erreicht haben. Sie wollten den armen Mann bloß ins Gefängnis werfen.“
Tony musste insgeheim leider zugeben, dass Delias Taktik besser funktioniert hatte als seine eigene. Das machte ihm zu schaffen. Er war ein Profi, und sie war bloß ein … ein gelangweiltes, reiches Mädchen, das Kojak spielte.
„Ich hätte ihn nicht festgenommen, außer es wäre absolut notwendig gewesen“, erklärte er. „Aber manchmal bewirkt eine kleine Drohung eine Menge. Außerdem hatte ich schon früher mit den Domingos zu tun. Irgendwann hätte er …“ Tony fluchte kräftig. „Aber darum geht es nicht. Sie haben sich in Lebensgefahr begeben, und das lasse ich nicht zu.“
„Ich bin kein Risiko eingegangen“, widersprach Delia. „Zuerst habe ich Nachforschungen angestellt. Eine Nachbarin hat mir erzählt, dass die Domingos nie gewalttätig werden. Es waren keine Waffen im Spiel. Die Situation war nicht gefährlich.“
„Sie haben ja keine Ahnung, wovon Sie reden. Solche Ehekräche sind unberechenbar. Erst vor ein paar Monaten wurde ich zu einem ähnlichen Fall gerufen. Plötzlich zog die Frau ein Fleischermesser aus ihrer Schürze und stach ihrem Mann in den Hals, direkt vor meinen Augen.“
Aus dem Augenwinkel sah er, dass Delia eine Grimasse schnitt. „Ist der Mann gestorben?“, fragte sie.
„Nein. Es ist mir gelungen, die Frau zu überwältigen, bevor sie noch mal zustechen konnte. Allerdings war da eine Menge Blut.“ Das fügte Tony absichtlich hinzu. Irgendwie musste er Eindruck machen auf seine viel zu unternehmungslustige Mitfahrerin.„Hören Sie, dies ist kein Schulausflug. Wissen Sie, wie viele Gewalttaten dieses Jahr in meinem Bezirk stattgefunden haben? Mehr als vierhundert. Es kann überall und zu jeder Zeit passieren, und ich werde nicht zulassen, dass einem Zivilisten, der in meinem Streifenwagen mitfährt, etwas zustößt. Ist das klar?“
„Ist das persönlich gemeint, oder würden Sie bei jedem
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