BACCARA EXKLUSIV Band 61
war. Aber das ist noch nicht alles.“
Er machte eine Pause und suchte nach Worten, um ihr die unschöne Geschichte möglichst schonend beizubringen. „Ich wollte mit Ihnen eigentlich erst auf der Ranch darüber sprechen“, sagte er schließlich. „Aber die Zeit wird knapp.“ Erneut blickte er in den Rückspiegel.
„Wieso? Was ist los?“ Haven versuchte, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. „Sagen Sie mir doch endlich, was los ist, Carl!“
„Wir werden verfolgt.“
Haven fuhr herum und sah schnell aus dem Rückfenster. „Warum denn?“
„Haben Sie mit Brian Larson eine Abmachung getroffen?
Obgleich Sie ihn kaum kannten, haben Sie ihn geheiratet. Sollte er dafür Ihrem Bruder aus dem Gefängnis helfen?“
Nein!, schrie es in ihr. Oh, bitte, nein! Sie hatte mit so viel Mühe die Vergangenheit hinter sich gelassen, hatte sich endlich ein normales Leben aufgebaut, um die dunklen Schatten aus früheren Zeiten zu vergessen. Und jetzt zerrte Carl sie zurück in die Welt der Lügen und Halbwahrheiten.
„Warum tun Sie das?“ Tränen stiegen ihr in die Augen.
„Ich habe keine Wahl. Brian war Geheimagent der Regierung, genauso wie ich. Nur dass ich vor zwei Jahren den Dienst quittiert habe.“
„Das ist ja wie in einem schlechten Film!“ Haven schüttelte ungläubig den Kopf. „Geheimagenten?“
„Ja.“ Carl schwieg und atmete tief aus. „Haven, beantworten Sie mir eine Frage. Haben Sie durch Ihre Heirat mit Brian die Freiheit Ihres Bruders erkauft? Ich glaube, es war so.“
„Sie können glauben, was Sie wollen“, fuhr Haven jetzt auf. „Ich war jung und unerfahren, und ich hatte eine unschöne Kindheit und Jugend. Brian sah gut aus, war charmant und versprach mir ein Leben, das ich bisher nur aus Romanen kannte. Ob ich ein Abkommen mit ihm getroffen habe? Ob ich ihn geheiratet habe, um meinem Bruder zu helfen? Ich habe Brian Larson geheiratet, um seine Frau zu sein, und jetzt bin ich seine Witwe. Mehr kann ich dazu nicht sagen.“
„Verdammt, vertrauen Sie mir doch, Haven. Nur ein bisschen. Ich muss die Wahrheit wissen.“
„Ihnen vertrauen? Warum sollte ich das tun? Bis vor ein paar Minuten wusste ich ja nicht einmal, wer Sie sind. Lassen Sie mich in Ruhe, Carl Shannon!“
Carl erwiderte nichts, sondern warf einen weiteren Blick in den Rückspiegel. Im nächsten Moment riss er das Steuer herum und bog in einen kleinen Seitenweg ab, der unter hohen Bäumen fast verschwand. Er trat aufs Gas und fuhr so schnell wie möglich den holperigen Weg entlang.
Haven hatte sich erschreckt nach ihrer kleinen Tochter umgesehen. Aber Paige schlief unverändert fest. Um nicht gegen ihn geschleudert zu werden, stützte Haven sich mit einer Hand am Armaturenbrett ab und drehte sich zu Carl.
„Wohin fahren Sie?“
„Ich versuche, das andere Auto abzuhängen. Ich möchte zwar nichts lieber, als den Fahrer stellen, aber nicht während ich Sie und Paige dabeihabe.“ Er biss die Zähne zusammen, und sie konnte das heftige Pulsieren seiner Schläfenader sehen. „Ich verspreche Ihnen, Haven, dass Ihnen und Paige nichts geschieht. Wer immer Ihnen etwas antun will, muss sich erst mit mir auseinandersetzen, und das wird nicht leicht sein.“
Sie sah ihn nur wortlos an und erwartete, dass die eisige Furcht wieder Besitz von ihr ergriff. Aber zu ihrer grenzenlosen Überraschung breitete eine beruhigende Wärme sich in ihr aus.
Weil Carl Shannon bei ihr war.
Er hatte ihr versprochen, sie und Paige zu beschützen, und sie glaubte ihm. Sie vertraute ihm. Er würde sie vor allen Gefahren bewahren.
Sie fühlte sich von diesem Mann angezogen wie noch von niemandem. Aber ihre Gefühle umfassten noch sehr viel mehr als das rein Körperliche. Ja, sie reagierte mit all ihren Sinnen auf Carl Shannon, aber er rührte auch ihre Seele an. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie eine wirkliche Verbindung zu einem Mann. Eine wahre Nähe.
Und doch hatte ihr Vertrauen Grenzen. Sie konnte sich ihm nicht vollkommen öffnen. Er verlangte zu viel von ihr. Dieser Mann wollte ihre dunkelsten Geheimnisse erfahren, was nur bedeuten würde, dass sie die Schmerzen und die Schmach der Vergangenheit erneut durchleben musste. Er würde sie wegen der Wahrheit verachten. Er würde ihr scharfe Vorwürfe machen. Einmal ausgesprochen, würde die Wahrheit das Bild von der Frau zerstören, das er sich von ihr gemacht hatte. Mehr noch, es würde sie selbst innerlich zerstören.
Die Macht, das zu tun, konnte sie ihm nicht in die Hand geben.
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