BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
anständig bin?“
Lyon beobachtete, dass Jasmines Augen sich weiteten. Die Schwellung war beträchtlich kleiner geworden, und ihre Augen waren jetzt annähernd gleich groß. Sie sah inzwischen viel besser aus. Aber das war gar nicht nötig. Sie machte ihn ohnehin nervös, so wie sie war.
„Also, was ist? Helfen Sie mir mit der Kniemanschette?“
Sie sah nicht sehr hilfsbereit aus. Oder doch?
„Bitte?“, sagte er so unwillig, dass es fast beleidigend klang.
„Na schön. Strecken Sie das Bein aus.“
„Wenn ich mein Bein ausstrecken könnte, bräuchte ich Ihre Hilfe nicht.“
Sie wartete eine volle Minute, bevor sie sich bequemte, zu ihm zu kommen.
„Ich wollte nicht Ihr Boot stehlen.“
„Ich weiß.“
Stück für Stück bewegte er sein Bein in die richtige Position, während sie vor ihm kniete und sein Hosenbein hochkrempelte. Als sie ihm die elastische schwarze Manschette umlegte, kam sie ihm mit dem Kopf so nah, dass ihr Haar ihn am Bein kitzelte. Er zuckte zusammen, und sein Rücken wehrte sich gegen die Bewegung mit einem Dutzend Messern. Er fluchte lautlos. Fast wünschte er, wieder im Krankenhaus zu sein.
„Warum haben Sie mich dann beschuldigt?“
„Sie beschuldigt?“
„Das Boot stehlen zu wollen.“
Er hatte tatsächlich gesprochen ohne zu denken. Er war eigentlich gar nicht um das Boot besorgt gewesen, sondern um sie. Er hatte befürchtet, sie könnte auf dem glitschigen Ufer ausrutschen und sich verletzen. Was machte er sich da eigentlich vor? Er war besorgt gewesen, sie könnte ihn verlassen.
„Ehrlich gesagt, ich hatte Angst, Sie könnten in den Fluss springen und versuchen, zurückzuschwimmen.“
„Dann hätte ich erst meine eigenen Sachen geholt und die wieder angezogen. Ihre Sachen hätte ich nicht gestohlen.“
„Ich kann gar nicht sagen, wie sehr mich das beruhigt.“
„Übrigens kann ich gar nicht schwimmen.“
„Noch besser.“ Mit ihren dick verbundenen Händen brauchte sie eine Ewigkeit, um die Manschette um sein Knie zu legen. Mit zusammengepressten Zähnen sah er hinab auf ihren Kopf. Die Sonne schien durch die Blätter der Bäume und ließ ihr rotes Haar wie Feuer glänzen. Er versuchte, sich darauf zu konzentrieren und ihren heißen Atem an seinem Bein zu ignorieren.
„Gar nicht gut“, schmollte sie. „Jeder sollte als Kind Schwimmunterricht bekommen. Woher haben Sie eigentlich diese Narben?“
„Ich bin von einem Elefanten heruntergefallen. Warum wollten Sie es eigentlich nicht tun?“ Er kannte ihre Tricks mittlerweile. Obwohl er nicht glaubte, dass sie es absichtlich tat.
Nein. Er wollte nicht glauben, dass sie es absichtlich tat.
„Wollte ich nicht was tun? Ihr Boot stehlen? Ich habe schließlich selbst die beiden Ruder ins Ufer gebohrt, um es daran zu befestigen, erinnern Sie sich?“
„Ja, und deshalb wissen Sie, dass die Griffe unten im Schlamm stecken und die Ruderblätter herausragen. Warum haben Sie als Kind nicht schwimmen gelernt?“
„Weiß nicht. Ich schätze, wir hatten einfach nicht genug Geld für einen Schwimmkurs. Ist es so gut oder zu eng?“ Sie setzte sich auf die Fersen und rollte sein Hosenbein wieder herunter.
„Perfekt. Danke.“ Merkwürdig, in den letzten vierundzwanzig Stunden hatte er öfter bitte und danke gesagt als in den ganzen letzten zehn Jahren davor. Nicht dass er ausgesprochen unhöflich war, aber in seinem Job hatten „bitte“ und „danke“ einfach keine Priorität.
Bei Jasmine sehr wohl. Er wusste schon weit mehr über sie, als sie vermutlich annahm, teils durch Beobachtung, teils durch Schlussfolgerung, teils durch geschicktes Fragen. Sie war Schauspielerin. Möglicherweise war sie außerdem Journalistin. Das war riskant, und er sollte auf der Hut sein. Aber sie war auf jeden Fall viel zu freimütig und impulsiv, viel zu großzügig und vor allem viel zu vertrauensvoll für eine Frau in ihrem Alter. Sie war immerhin vierundzwanzig und sollte es besser wissen. Die meisten Frauen lernten heutzutage vorsichtig zu sein, sobald sie ihren ersten Lippenstift benutzten.
Allerdings trug sie keinen Lippenstift.
Warum nicht?
Weil ihr Gesicht ohnehin von der Allergie verunstaltet war? Oder weil sie ihre Kriegsbemalung im Motel vergessen hatte? Oder weil sie kein Interesse daran hatte, Männer mit ihrem Aussehen zu beeindrucken?
Oh, oh!
Im Moment waren sie jedenfalls auf Gedeih und Verderb aneinandergekettet. Er hätte ihr sagen können, dass er einen Außenbordmotor dabeihatte, gut versteckt, aber er
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