Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
Schreiereien und Weinkrämpfe, vermutlich sogar Mord- und Selbstmorddrohungen – das volle Programm.
In diesen stürmischen Monaten begann Amy sich äußerlich stark zu verändern. Im Sommer 2005 war von Amy, dem Teenager, nichts mehr zu sehen. Da war kein
Gramm Babyspeck, ihre Röcke waren ultrakurz und ihre Tops saßen stramm. Sie zeigte viel Haut und damit auch ein paar neue Tattoos, die sie sich hatte stechen lassen. Darüber hinaus näherte Amys Haarpracht sich auch langsam dem »Beehive« an, der auffälligen Bienenkorbfrisur, die spätestens mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums »Back to Black« zu ihrem Markenzeichen werden und eine ganze Generation junger Frauen modisch beeinflussen sollte.
Doch trotz ihres immensen Drogen- und Alkoholkonsums und der ungesunden Lebensweise, die damit für gewöhnlich einhergeht, sah sie bei ihren raren Auftritten in der Öffentlichkeit gut aus, sehr sexy und verführerisch und dank eines geschickten Make-ups auch gesund. Amy wusste offenbar genau, wie sie positiv auffallen konnte. Im Nachhinein darf man daher davon ausgehen, dass sie zu diesem Zeitpunkt zwei parallele Leben lebte und bemüht war, mit ihrer Fassade gleichzeitig ihre stolze Haltung zu bewahren – vor allem ihren Familienmitgliedern gegenüber, die sich zunehmend Sorgen um sie machten und inzwischen regelrecht verstört reagierten, weil Amy für sie einfach nicht mehr erreichbar und noch schwieriger zu sprechen war. Nicht einmal für ihren Vater Mitch, dessen »Girl« sie doch eigentlich immer gewesen war.
Dann kam das plötzliche Beziehungs-Aus. Und Nick Godwyn bekam einen Anruf von seinem Partner Nick Shymansky. Er sollte zu Amy in den Jeffreys Place kommen, sofort.
»Als ich ankam, fand ich sie am Boden zerstört vor.
Es war erschütternd. Ich hatte sie vorher noch nie so gesehen. Sie war völlig am Ende«, erinnerte sich Godwyn. »Sie heulte wie verrückt, sie sagte immer wieder, sie liebe Blake. Wir versuchten, sie zu trösten, aber wir meinten auch, dass jetzt vielleicht der Zeitpunkt gekommen sei, mal mit jemandem zu reden.«
Ebenso spontan, wie ihre Beziehung begonnen hatte, war sie auch zu Ende gewesen. Blake war quasi über Nacht zu seiner Exfreundin zurückgekehrt, die ganz in der Nähe lebte. Sie hatte ihn zurückgenommen, und für Amy war dadurch die Welt zusammengebrochen. Sie hatte dies schon einmal erlebt, als ihr Vater Mitch sie verlassen und zu seiner neuen Frau Jane gezogen war. Jetzt war Amy wieder alleine und saß ganz tief unten drin, in ihrem Schwarzen Loch. Back to Black.
Etwa ein Jahr später, kurz nach der Veröffentlichung ihres zweiten Albums, ließ Amy gleich in mehreren Interviews ihre Version der Trennung verlauten: dass Blake einfach ein zu stolzer Mann gewesen wäre, um sich von ihr aushalten zu lassen und sich den kompletten Lebensunterhalt inklusive des teuren Drogenkonsums finanzieren zu lassen (über den die Welt inzwischen bestens informiert war). Sie betonte auch immer wieder ausdrücklich, dass sie sein Verhalten als ausgesprochen ritterlich, ehrenwert und anständig empfunden hatte – und sie vergaß nie zu erwähnen, dass sie ihn immer noch liebte.
Das klang gut, das hörte sich sehr plausibel an. Und jeder, der ihren Texten aufmerksam lauschte, ahnte, dass das abrupte, schmerzhafte Ende ihrer Liebe auch der Katalysator gewesen war, der Amys Kreativität wieder in Schwung gebracht hatte. Sie hatte ihren Schmerz in Worte
und Melodien gepackt und eines der größten Musikalben der Popgeschichte hingelegt.
Aber Amys Erklärung war zu einfach. Der wahrscheinlichere Grund für Blakes Entscheidung, Amy zu verlassen, waren wohl weniger sein Stolz und seine Ritterlichkeit als vielmehr, dass er ihre Tag-und-Nacht-Phasen nicht mehr ausgehalten hatte und dass ihm die emotionalen Wechselbäder, die sie ihm ständig einlaufen ließ, irgendwann zu anstrengend geworden waren und sich nicht einmal mehr durch Drogen- und Alkoholexzesse ertragen ließen. Ihm war wohl bewusst geworden, dass er zu schwach war, um Amys Intensität zu überleben.
Die Londoner Psychologin Alix Needham erklärt, dass es sich bei Amys und Blakes Beziehung von Anfang an um eine klassische wie fatale Catch-22-Situation gehandelt hatte:
»Wenn man vom Vater zurückgewiesen oder wie in Amys Fall verlassen wurde, wird man in einer Beziehung zumeist sehr anhänglich und im ungünstigen Fall klammern . Man will den Partner nicht loslassen, gewährt ihm keine Freiheiten und ist häufig
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