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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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dem hören, was da oben vor sich ging.
    Der Sergeant hatte die Fahrt so weit gedrosselt, dass das Patrouillenboot langsam an den Schoner heranglitt und schließ lich nur Zentimeter daneben zum Stillstand kam. »Lonnie«, sagte der Sergeant, »du übernimmst das Steuer.«

Als er sich aus seinem Sitz erhob, schaute er Nestor an, als hätte er vergessen, dass er existierte. »Okay, Camacho, machen Sie sich mal nützlich. Machen Sie die Scheißluke auf .« Nestor schaute den Sergeant mit erbärmlich verängstigtem Blick an. Er sprach ein stummes Gebet. :::::: Bitte, allmächtiger Gott, ich flehe dich an. Mach, dass ich keine Scheiße baue. ::::::
    Die »Luke« war eine schalldichte Schiebetür aus Isolierglas, die sich an der Seite des Führerstands zum Deck öffnete. Nestors gesamtes Universum schrumpfte plötzlich auf diese Tür und die olympische Disziplin zusammen, sie mit maximaler Kraft, in maximaler Geschwindigkeit zu öffnen und dabei die maximale Kontrolle zu behalten … Jetzt! Sofort! … :::::: Bitte, allmächtiger Gott, ich flehe dich an — und jetzt —::::::
    Vollbracht! Vollbracht! Mit den flüssig kraftvollen Bewegungen eines Tigers hat er es vollbracht … Was vollbracht? Sie aufgeschoben. Die Schiebetür aufgeschoben. Ohne Scheiße zu bauen.
    Draußen — alles in Aufruhr. Der Lärm platzte in den sakro stummen Führerstand, der Lärm und die Hitze. Jesus, war es heiß hier draußen auf Deck. Glühend! Enervierend! Es haute einen um. Ohne den böigen Wind in der Bucht wäre es unerträglich gewesen. Der starke Wind erzeugte sein eigenes pfeifendes Geräusch und ließ die Wogen gegen den Rumpf des Schoners PLATSCHEN und die Segel FLATTERN , zwei Masten voller Segel — aufgebläht zu Wolken von unnatürlich weißer Leuchtkraft — Miamis Sommersonne! Nestor schaute hinauf in den sich selbst verzehrenden Feuerball — und trotz seiner supremo dunkelsten Sonnenbrille versuchte er es kein zweites Mal … schaute nicht wieder in den höllisch heißen Heizstrahler Himmel. Aber das war nichts, verglichen mit der peitschenden BRANDUNG aus menschlichen Stimmen. Schreien! Anstacheln! Verwünschen! Heulen! Flehen! Buhen! Ein großartiges Grölen und Zähneknirschen, eine Meile vom Ufer entfernt, mitten in der Biscayne Bay!
    Der Sergeant verließ den Führerstand, ohne auch nur mit dem geringsten Wimpernzucken von Nestor Notiz zu nehmen. Als er aber vom Patrouillenboot auf den Schoner stieg, machte er auf Hüfthöhe eine zackige Handbewegung, die Nestor bedeutete: Folgen! Folgen? Nestor folgte ihm wie ein Hund.
    Der Sergeant und sein Hund betraten das Deck des Schoners — wo es zuging wie im Irrenhaus! Die Passagiere, wenn sie das denn waren, hingen über der Reling, gestikulierten herum und plapperten auf Nestor und den Sergeant ein … americanos, die ganze Bande … hellbraune und blonde Haare … die Hälfte von ihnen Mädchen — und fast splitternackt! Wilde blonde Haare! Fetzen von Tangaslips, die kaum den Venushügel bedeckten! … Tops aus zwei Stoffdreiecken, die gerade mal die Nippel verdeckten, an deren Seiten aber die Brüste herausquollen und schrien, »Na, noch mehr gefällig?« Nein, dachte Nestor. Nichts interessierte ihn in diesem Augenblick weniger, als lúbricas americanas anzumachen. Sie lösten sich auf in seinen Gebeten, die auf eines hinausliefen: Bitte, allmächtiger Gott, ich flehe dich an, mach, dass ich … keine Scheiße baue!
    Der Sergeant ging schnurstracks zum Vordermast. Nestor ging schnurstracks zum Vordermast. Der Sergeant schaute hoch. Nestor schaute hoch. Der Sergeant sah das Nest des geheimnisvollen Mannes an der Spitze des Mastes. Nestor sah das Nest des geheimnisvollen Mannes — eine Silhouette vor der Kuppel des Killerheizstrahlers, ein schwarzer Klumpen sechs oder sieben Stockwerke über dem Deck. Von oben brauste inmitten einer Kakofonie wütend heulender Autohupen ein wahrer Sturm aus heiseren, keifenden Stimmen über sie hinweg. Der Sergeant schaute wieder nach oben. Nestor schaute wieder nach oben. Die beiden Polizisten mussten die Köpfe ganz zurücklegen, um sehen zu können, woher der Tumult kam. Mörderisch, so bis zum obersten Bogen der Brücke hinaufzuschauen … Eine wütende Menge, zwei, drei, weiß Gott wie viele Reihen tief, lehnte sich über das Geländer. Sie waren so weit oben, dass ihre Köpfe auf die Größe von Eiern geschrumpft waren. Sogar Nestor konnte durch seine supremo dunkelste Sonnenbrille nicht länger als einen Augenblick nach oben

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