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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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schauen. Es war, als stünden sie auf der Straße vor einem acht oder neun Stockwerke hohen Gebäude, von dessen Dach, das von der Sonne in Brand gesteckt worden war, ein Mob unverständliches Zeug zu ihnen herunterbrüllte. Und da oben — praktisch auf Augenhöhe mit dem Mob, praktisch genauso hoch über dem Deck, war der Mann. Der Sergeant stand genau unter ihm und schaute zu ihm hoch. Nestor stand genau unter ihm und schaute zu ihm hoch. Während sie mit den Händen an der Stirn nach oben schauten, konnten sie sehen, dass der Mann tatsächlich wie ein Bündel Dreckwäsche aussah, genau wie Lonnie Kite gesagt hatte … nein, er sah schlimmer aus … er sah aus wie ein Bündel durchweichter Dreckwäsche. Er war tropfnass. Seine Klamotten, seine Haut, sogar die schwarzen Haare — das, was sie davon sehen konnten — alles an ihm war in graubraune Jauchefarbe getaucht, als wäre er gerade aus einem Abwassergraben gekrochen. Obendrein riss er auch noch krampfhaft den Kopf hin und her und streckte flehend die Hände aus, Handflächen nach oben, wie Tassen, während er der Menge auf der Brücke irgendwas zurief. Aber wie konnte er sich da oben halten, ohne sich am Mast festzuklammern? Ahhhh … am Mast war eine kleine Sitzschale montiert — aber wie war er überhaupt da hochgekommen?
    »Officer! Officer!«
    Ein großer linkischer Lulu, höchstens dreißig Jahre alt, hatte sich vor Sergeant McCorkle aufgebaut. Er zeigte ständig mit dem Zeigefinger nach oben zu dem Mann auf dem Mast. Er sah verängstigt aus, und er redete so schnell, dass seine Worte sich zu überschlagen, übereinander zu stolpern schienen, heillos taumelnd, strauchelnd, wieder zurücktorkelnd, sich verzettelnd: »Was hat der hier zu suchen kommt da hinten hochgekrabbelt, Officer, hab den noch nie vorher gesehen greift mich an wütend richtig wütend entert mein Boot der Mast demoliert was das kostet ein Vermögen —«
    Der Bursche war weich — da reichte ein Blick! — aber auf eine echt luxuriöse Art, lautete Nestors Blitzurteil. Er hatte volle Wangen, aber Wangen, die so glatt und butterweich waren, dass sie schon die Konsistenz eines perfekten Eierflans erreicht hatten. Er hatte eine Wampe, aber eine Wampe, die eine perfekte Parabel vom Brustbein zum Unterbauch beschrieb, die Nonplusultra -Wampe des Jugendlichen Müßiggängers, zweifellos geschaffen von den verehrtesten, zartesten und geschmackvollsten Köchen der Welt. Über den perfekten Parabelbogen spannte sich ein apfelgrünes Hemd, aus Baumwolle, ja, aber Baumwolle so fein und so niegelnagelneu, dass es einen perfekten apfelgrünen Schimmer hatte — kurz, ein echtes Weichei war dieser Bursche, ein Weichei, dem die Worte immer noch auf seine verworrene, mit einem Schuss Angst durchsetzte Weichei-Art aus dem Mund sprudelten —
    »— Vollschwachkopf bin am Arsch verklagt mich! Handlanger haftbar Anklage gegen mich! Durchgeknallter Irrer nie gesehen ausgerechnet mich! « — Der Sergeant hob beide Hände mit nach vorne gedrehten Handflächen auf Brusthöhe, um anzudeuten Hey, Mann, jetzt komm mal wieder runter . »Beruhigen Sie sich. Ist das Ihr Boot?«
    »Ja! Und ich bin derjenige …«
    » Langsam. Wie heißen Sie?«
    »Jonathan. Der Punkt ist, als ich …«
    »Und Ihr Nachname?«
    Das große tollpatschige Weichei schaute den Sergeant an, als hätte er, der Sergeant, den Verstand verloren. Dann sagte er, »Krin?« Es hörte sich fast wie eine Frage an. » K,R,I,N ?« Als Angehöriger der ersten Generation, die keine Nachnamen benutzte, hielt er schon den Gedanken daran für archaisch.
    »Okay, Jonathan —« Der Sergeant machte mit seinen Händen drei kurze Bewegungen nach unten, als wollte er sagen, Ganz ruhig, regen Sie sich nicht auf — »Wie ist der Bursche denn aufs Boot gekommen?«
    Anscheinend hatte der korpulente, aber perfekt korpulente, junge Mann seine Kumpel eingeladen, mit ihnen durch die Biscayne Bay zum Haus und zur Marina eines Freundes zu segeln, der in einer mit Promis gespickten Enklave wohnte, die passenderweise Star Island hieß. Er sah keinen Grund, warum er mit seinem dreiundzwanzig Meter hohen Hauptmast nicht unter der fünfundzwanzig Meter hohen Brücke hindurchsegeln sollte … bis sie darauf zuliefen und das Ganze vielleicht doch ein bisschen gefährlich aussah, wegen des Windes und des kabbeligen Wassers und der Wellen, die das Boot hin und her warfen. Also setzten sie zwanzig Meter vor der Brücke den Anker und gingen alle acht nach vorn zum Bug, um die

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