Back to Blood
Video spiele, die heißeste Musik, das Neueste an iPhones, BlackBerries, Droids, Tastaturen — alles war für den Gebrauch in Englisch. Man fühlte sich sehr schnell wie ein Krüppel … da draußen … wenn man kein Englisch konnte und nicht Englisch sprechen und denken konnte, was wiederum erforderte, dass man das umgangssprachliche amerikanische Englisch so gut wie jeder Anglo beherrschen musste. Im Handumdrehen — eines Tages fiel es dir plötzlich auf — war dein Spanisch auf Sechstklässlerniveau geschrumpft. Diese ungeschminkte Wahrheit schoss Nestor jetzt durch den Kopf. Aber wie sollte er das diesen beiden americanos erklären? Es würde sich anhören wie eine faule Ausrede — vielleicht sogar feige. Vielleicht hatte er einfach nicht den Mumm für so einen Einsatz. Wie konnte er sagen, »Ach, du meine Güte, ich weiß aber nicht, ob ich den Mast da raufklettern kann.«
Vollkommen unmöglich! Er hatte nur zwei Möglichkeiten: es tun und es schaffen, oder es tun und spektakulär versagen. Was die Lage noch verfahrener machte, war die Wut des Mobs. Sie buhten ihn aus. Seit Nestor und seine beiden Kollegen den Schoner betreten hatten, waren die Menschen auf der Brücke ständig lauter und gemeiner, feindseliger und ausfälliger geworden. Hin und wieder vernahm Nestor einen einzelnen Ruf.
»Libertad!«
»Traidor!«
»Come mierda, hijo de puta!«
Sobald er den Mast hinaufklettern würde, würden sie sich auf ihn einschießen — dabei war er selbst Kubaner. Was ihnen sicher sehr schnell auffallen würde. Er konnte nicht gewinnen, oder? Andererseits … für einen Augenblick war er wie weggetreten … er schaute zu dem Mann hoch, sah ihn aber gar nicht mehr. Die Frage überkam ihn wie eine Offenbarung: »Was ist Schuld?« Schuld ist ein Gas, und Gase verflüchtigen sich, Vorgesetzte aber nicht. Wenn sie sich erst mal in dich verbissen haben, dann sind sie so hartnäckig wie ein Hund. Von einem Mob deiner eigenen Leute missbilligt zu werden war nicht annähernd so bedrohlich wie die Missbilligung von diesem blauäugigen sandfarbenen americano namens Sergeant McCorkle, der schon jetzt kurz davor war, ihn zu feuern —
— und zu dem er sich jetzt umdrehte und sagte, »Klar, Sarge, das schaffe ich.«
Jetzt kam es drauf an. Konnte er diese Nummer durchziehen oder nicht. Er schätzte die Höhe des Masts ab. Er legte den Kopf in den Nacken und schaute nach oben. Weit … weit … nach oben — Jesus Christus! Die Sonne brannte auf seinen Augäpfeln, ob mit oder ohne extremo dunkelster Sonnenbrille! Er hatte zu schwitzen angefangen … Wind oder kein Wind! Es war heiß, er stand auf dem Deck eines Schoners mitten in der Biscayne Bay und wurde gegrillt. Der Mann auf der Spitze des Mastes hatte die Größe, Farbe und Formlosigkeit eines kackbraunen Plastikmüllsacks. Er zappelte und fuchtelte da oben immer noch herum. Die Umrisse beider Arme schossen nach vorne, die Finger zweifellos wieder in Bittsteller manier nach oben gebogen. Er schaukelte mitleiderregend da oben auf seinem Bootsmannsstuhl, schwang vor und zurück, als würde er dem Mob irgendwas zuschreien. Jesus, das war ein weiter Weg bis zur Spitze. Nestor senkte den Kopf und schaute sich den Mast selbst an. Unten, wo er mit dem Deck verbunden war, hatte das verdammte Ding den Umfang seiner Taille. Wenn er den Mast mit den Beinen umklammerte und sich hochhangelte, würde das ewig dauern … Zentimeter um Zentimeter, die Arme um einen zwanzig Meter hohen Bootsmast geschlungen, ein jämmerlicher Anblick … viel zu langsam und demütigend, allein der Gedanke … Aber Moment mal! Das Seil, das Taljereep, mit dem sich der kackbraune Bursche nach oben gehievt hatte — es hing von der Mastspitze herunter und endete in einem schlaffen Seilhaufen, der auf dem Deck lag. Und am oberen Ende, an der Spitze des Mastes, schaukelte der Illegale in seinem Bootsmannsstuhl. ::::::Ich bin schon mal fünfzehn Meter an einem Seil hochgeklettert, ohne meine Beine zu Hilfe zu nehmen:::::: dachte er, ::::::und ich hätte vielleicht noch mehr geschafft, wenn Rodriguez in seiner »Ññññññoooooooooo!!! Qué Gym!« eine höhere Decke hätte. Aber zwanzig Meter … Jesus! … Nein? — Was bleibt mir übrig?:::::: Es war, als ob ab jetzt nicht er, sondern sein zentrales Nervensystem das Kommando führte. Bevor sich eine Erinnerung daran festsetzen konnte, sprang er hoch, packte das Seil und fing an zu klettern — ohne seine Beine zu Hilfe zu nehmen .
Von oben ergoss sich ein
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