Back to Blood
mächtigen Russen, der jeden und erst recht einen schwabbeligen Schwindler wie Munch in die Tasche steckte konnte … Ich, Sergej … und jetzt zwang ihn dieser Munch mit seinen miesen Tricks zu genau der erniedrigenden, demütigenden Tanzbärennummer, die er ihm zugedacht hatte —
Er hatte die Verzichtserklärung unterschrieben! Wie das erbärmlichste Opfer, das je gelebt hatte, hatte er seine Rechte abgetreten.
Sergej warf Munch einen letzten bösartigen Blick zu und sagte mit leiser, wutentbrannter Stimme, »Ich hoffe, Sie haben mich verstanden. Ich habe Sie nicht gebeten, das Material nicht zu zeigen. Ich habe gesagt, dass Sie es nicht zeigen werden . Eine Klage ist nicht das Einzige, was passieren kann. Andere Dinge können passieren. Diese Bilder werden niemals ins Fernsehen kommen.« Magdalena konnte Sergejs Gesicht nicht sehen, aber sie sah Munchs Gesicht. Es war erstarrt, bis auf die Augenlider, die blinzelten blinzelten blinzelten blinzelten.
»Mr. Koroljow! Mr. Koroljow!« Das war John Smith, der sich von hinten zwischen sie schob. Sergej schaute ihn mit einem Blick an, der töten konnte, aber der blasse, spindeldürre Reporter ließ sich nicht einschüchtern. »Mr. Koroljow — noch ein Wort! Sie waren einfach fantastisch gerade. Sie — nun ja, kann ich Sie anrufen? Ich würde mich gerne noch mal mit Ihnen unterhalten, wenn Sie nichts —«
John Smith verstummte mitten im Satz. Sergejs Gesichtsausdruck schien ihm den Atem zu rauben. Der Blick tötete nicht nur, er tötete erst, räucherte dann die Leiche und fraß sie danach auf.
Sergej und Magdalena verließen die Villa und gingen zu dem Pförtnerhaus. Sergej starrte geradeaus — ins Nichts. Sein Gesichtsausdruck war der finsterste, den Magdalena je bei einem menschlichen Wesen gesehen hatte, nicht mal im Jackson Memorial Hospital kurz vor dem Eintreten des Todes. Er fing an auf Russisch vor sich hin zu grummeln. Er ging neben ihr her, aber sein Geist hatte sich in eine andere Sphäre verabschiedet.
»Grummel mirow grummel lamei grummel nesmaja grummel milajsch grummel chlopow grummel —«
Magdalena hielt es nicht mehr aus. »Was ist los, Sergej? Was brummen Sie da? Wachen Sie auf, kommen Sie zurück!«
Sergej schaute sie verärgert an, aber schließlich fing er auf Englisch an zu reden. »Dieser fette kleine Wicht, dieser Drecks kerl Munch — ich kann es nicht fassen, dass ich das zugelassen habe! Amerikanischer Abschaum — und von so was habe ich mich austricksen lassen! Er wusste genau, wie er mich in seine zum Himmel stinkende ›Realityshow‹ lockt — und ich hab’s nicht kommen sehen! Ich stehe da wie ein dahergelaufener schwachsinniger Streithammel! Erst bin ich der große — wie heißt das englische Wort? — Mäzen? — sie ehren mich dafür, dass ich einem Museum Bilder für zig Millionen stifte — und jetzt stehe ich da als der Tölpel, der so tief gesunken ist, dass er bei dieser miesen ›Realityshow‹ mitmacht! … Wissen Sie, was Flebetnikow gesagt hat, als ich mich über ihn gebeugt habe, um zu sehen, ob er noch atmet, ob sein Herz noch schlägt — ich hatte Angst, dass er tot ist! Gott sei Dank hat er noch gelebt. Er hat kaum ein Wort rausgebracht, aber mit seiner kläglichen Stimme hat er mir ins Ohr geflüstert, ›Sergej Andrejewitsch, ich wollte das nicht.‹ Mehr brauchte er gar nicht zu sagen. Der bettelnde Ausdruck in seinen Augen reichte vollkommen. ›Sergej Andrejewitsch‹, hat er noch gesagt, ›bitte, verzeih mir. Die haben mir gesagt, dass ich einen Streit vom Zaun brechen soll.‹ Der arme Boris Fjodorowitsch. Er ist bankrott, vollkommen verzweifelt. Er braucht das Geld, das sie ihm angeboten haben. Sie haben Andeutungen gemacht. Dass er vielleicht seine eigene ›Realityshow‹ bekommt, wenn er sich bei ihrer Sendung gut macht. Sie könnten sich eine Sache mit dem Namen Der verrückte Russe oder so vorstellen. Ich weiß jetzt, wie diese schleimigen Amerikaner vorgehen. Sie nötigen Boris Fjodorowitsch, auf mich loszugehen, um so mich in den Dreck zu zerren. In dem Moment, als er zu diesem erbärmlichen Haken ausholt, bin ich drin in ihrer miesen Show, ob’s mir nun passt oder nicht. Erst zeige ich diesem Munch meine ganze Verachtung — und dann lasse ich mich von ihm austricksen wie ein dahergelaufener loch. Ich kann es immer noch nicht fassen! Dieser kleine amerikanische Schleimer!« Sie hatten inzwischen fast das Ende des Weges erreicht. Das Zwillingspförtnerhaus wirkte riesig im trüben Dunst
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