Back to Blood
über ihnen waren. Die Objektive verschlangen ihre Köpfe, verschlangen gierig die ganze Szene.
Immer noch cool lächelnd, sagte Sergej auf Russisch, »Boris Fjodorowitsch, Sie wissen ganz genau, dass das nicht stimmt. Sie wissen ganz genau, dass unsere ›Meister der Realität‹ hier« — er zeigte auf Sidney Munch und den knopfköpfigen Regisseur, der direkt hinter Flebetnikow stand — »Ihnen jede nur denkbare Lüge erzählen werden.«
Flebetnikow verstummte. Magdalena sah, dass er Munch, dem Produzenten, einen kurzen Blick zuwarf, und sie sah, dass Munchs Hand neben dem Oberschenkel immer noch aufgeregt auf und ab wedelte wedelte wedelte wedelte. Bleib dran!, schien Munch ihm zu signalisieren. Nicht aufhören! Los, weiter! Wisch ihm den zynischen Blick aus seinem arroganten Gesicht! Er macht sich über dich lustig! Schnapp ihn dir, mein Junge! Jetzt bloß nicht aufhören!
Flebetnikow auf Russisch: »Sie wagen es, mich zu verspotten, Sergej Andrejewitsch? Sie glauben, ich lasse mir Ihre Arroganz so einfach gefallen? Muss ich Ihnen eigenhändig die Blasiertheit austreiben?«
Sergej antwortete auf Russisch, »Jetzt aber mal halblang, Boris Fjodorowitsch. Wir wissen doch beide, dass diese Amerikaner das alles inszeniert haben. Die wollen doch nur, dass Sie wie ein Idiot dastehen.«
»Da, schon wieder! Idiot, schon wieder dieses Wort. Sie wagen es, mich vor aller Augen einen Idioten zu nennen! Tut mir leid, Sergej Andrejewitsch, aber das kann ich Ihnen nicht durchgehen lassen! Sie sind zwar größer als ich, aber da Sie mich nun einmal dazu zwingen, muss ich tun, was ich tun muss. Wenn Sie nicht augenblicklich damit aufhören, mich so beleidigend anzugrinsen, bleibt mir keine Wahl!«
Magdalena hatte keine Ahnung, worüber die beiden sprachen — aber sie schaute genau in diesem Augenblick in Flebetnikows Gesicht. Es plusterte sich auf! Es glühte blutrot! Es bewegte sich noch näher auf Sergejs Gesicht zu! Es ist jetzt so nah, dass er ihm die Nase abbeißen könnte! Er hat den Siedepunkt erreicht! Und Sergej? Sie ist so stolz auf ihn. Er ist ein Mann! Er zuckt mit keiner Wimper, geschweige denn, dass er zurückweicht. Der coole Blick, mit dem er Flebetnikow seit Beginn der Auseinandersetzung anschaut, ist vollkommen unverändert. Sie sieht, dass Flebetnikow wieder zu Munch schaut. Munch nickt schnell und fuchtelt wie wild mit der Hand herum. Ja! Ja! Ja! Ja!
Auf Russisch sagte Flebetnikow, »Noch mal, damit das klar ist: Ich will das nicht tun! Aber Sie zwingen mich dazu!«
Und dann trat Flebetnikow einen Schritt zurück, um sich Platz zu schaffen für das, was er »tun musste«. Halb ächzend, halb brüllend holte er zu einem Fausthieb gegen Sergej aus. Es war ein schwerfälliger rechter Haken. Sogar jemand, der nicht so jung und fit wie Sergej war, hätte noch locker ein Telefongespräch beenden und ausweichen können, bevor er sich seinem Ziel näherte. Sergej duckte sich zur Seite und konterte mit einem Schulterstoß gegen Flebetnikows Brust. Grrruuufff! — eine Kombination aus Ächzen und dem Geräusch, als ließe jemand die Luft aus seinem Bauch … dann kippte der Master of Disaster samt seinem großen Mumm und fetten Arsch nach hinten. Er wäre mit dem Hinterkopf aufgeschlagen, wenn der nicht auf dem Weg nach unten vom Oberschenkel des kahlköpfigen Regisseurs eingebremst worden wäre. Jetzt lag er auf dem Boden, flache Atemstöße hoben Brust und Bauch. Die Augen waren geöffnet, aber sie waren auf nichts gerichtet und sahen offensichtlich auch nichts. Magdalena, die Krankenschwester, wusste sofort Bescheid. Sergej hatte den großen Mann nur wegstoßen wollen, aber die Schulter hatte genau das Nervengeflecht des Solarplexus erwischt und Flebetnikow bewusstlos geschlagen.
Produzent Munch sorgte sich nicht im Mindesten um den Star seiner Realityshow. Seine Aufmerksamkeit galt allein den beiden Kameramännern auf ihren fahrbaren Gestellen. Er deutete immer wieder wie verrückt auf Flebetnikow und Sergej und rief, »Ich will alles! Voll drauf! Ich will alles! Voll drauf!« Die Einzigen, die dem fetten Mann halfen, waren Mag dalena und Sergej. Sergej beugte sich über den Hingestreckten. »Boris Fjodorowitsch! Boris Fjodorowitsch! Hören Sie mich?«
Für Produzent Munch und Regisseur Koch ging ein Traum in Erfüllung.
»Fabelhaft!«, sagte Munch, der unter seiner übergroßen guayabera einen merkwürdigen Hulatanz vollführte.
»Fantastisch!«, sagte Koch, der einer jüngeren Generation angehörte,
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