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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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und Dio war kein kameradschaftliches mehr seit dem Tag, als sie sich wegen Hernandez’ und Camachos Crackhausrazzia in die Wolle gekriegt hatten … zwar nur vor einem fünfköpfigen Publikum, aber diese fünf waren, in Anbetracht ihrer Stellung und ihrer kubanischen Lästermäuler, vollkommen ausreichend. Sie waren Zeugen geworden, wie er vor Dio gekuscht hatte wegen seiner Hypothekenraten und wegen seines Status als der große schwarze Chief. Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung von seinen Hypothekenraten, aber die andere Sache — da hätten sie mit ihren Gedanken schon ganz woanders sein müssen, um das nicht sofort zu kapieren. Der Chief hatte sich seitdem gedemütigt gefühlt … mehr als die Zeugen sich überhaupt vorstellen konnten. Er war vor Dionisio Cruz, diesem anmaßenden kubanischen Mops, und seinen unverhohlen politischen Bedenken in die Knie gegangen …
    Nehmen Sie Platz … Dios Türhüterin, ein Pferd von Frau namens Cecelia … mit dem ausladenden Kinn eines Neandertalers … und falschen Wimpern, die nach den ersten Schminkübungen einer Neunjährigen aussahen … sie hatte gesagt, »Nehmen Sie Platz.« Keine Entschuldigung, keine Erklärung, nicht mal ein Zwinkern oder Lächeln, um ihm zu zeigen, wie bizarr auch sie das alles fand … einfach »Nehmen Sie Platz«. Der »Platz« war ein hölzerner Lehnstuhl, der zusammen mit vier oder fünf anderen hölzernen Lehnstühlen in einem schäbigen kleinen Raum stand, den man geschaffen hatte, indem man die vordere Wand eines schäbigen kleinen Büros herausgerissen hatte. Der Chief war gerade an diesem sogenannten Wartezimmer vorbeigegangen — und jetzt raten Sie mal, wer da schon alles saß? Anthony Biaggi, ein schmieriger Bauunternehmer, der es auf ein baufälliges Schulgebäude samt Schulhof oben in Pembroke Pines abgesehen hatte … José Hinchazón, ein ehemaliger Polizist, den man vor Jahren während eines Korruptionsskandals gefeuert hatte und der jetzt eine zwielichtige »Sicherheitsfirma« betrieb … und ein Anglo, der für den Chief ganz nach Adam Hirsch von den maroden Boots- und-Bustouren-Hirschs aussah … Nehmen Sie Platz? In einem Raum mit dieser Bande?
    Also schaute der Chief hinunter in Cecelias Pferdegesicht und bedachte sie mit einem mehrdeutigen Grinsen, das schon viele Leute verunsichert hatte. Er kniff die Augen zusammen, zog die Oberlippe hoch und entblößte die große weiße obere Zahnreihe, die vor dem Hintergrund seiner schwarzen Haut noch größer aussah. Die Absicht war, sie darüber im Zweifel zu lassen, ob sich sein Grinsen zu einem Ausdruck reinsten Glücks ausweiten … oder ob er sie gleich zerfleischen würde.
    »Ich bin unten in der Lobby« — er nickte in die Richtung — »bis Dio so weit ist.«
    Cecelia gehörte nicht zu der Sorte, die sich leicht einschüchtern ließ. »Sie meinen, im Wartezimmer«, sagte sie.
    »Unten in der Lobby«, sagte er und machte mehr und mehr den Eindruck, als würde er sie gleich zerfleischen — und dann wieder ausspucken. Er zog eine seiner Karten aus der Tasche und schrieb auf die Rückseite eine Telefonnummer. Dann gab er ihr die Karte und verwandelte sein mehrdeutiges Grinsen in ein glückliches Grinsen, in der Hoffnung, sie würde die Ironie darin bemerken, und das würde sie noch etwas mehr verunsichern oder zumindest verwirren.
    Als er auf dem Weg in die Lobby an dem armseligen Wartezimmer vobeikam, sah er aus dem Augenwinkel, dass alle drei Männer aufblickten. Er wandte ihnen den Kopf zu, schaute aber nur einen an, Hirsch — Adam oder seinen Bruder Jacob, er war sich nicht sicher, welchen der beiden er vor sich hatte.
    Wie vorhin erwies ihm niemand mit einem »Hey, Chief!« aus einer offenen Tür heraus seine Ehrerbietung, was hieß, er konnte nicht mal eben in eins der Büros schlüpfen, um mit einer Plauderei die Zeit totzuschlagen, bis er gerufen wurde … gerufen zu seinem kubanischen Herrn.
    Verdammt, er konnte sich nicht einfach im Gang herumdrücken … Gottverdammter Dio! Urplötzlich nahm er sich die Frechheit heraus, ihn zu behandeln wie jeden x-beliebigen demütigen Bittsteller, der mit einem Gesuch am Hofe des Königs vorstellig wird.
    Er hatte keine andere Wahl, als nach unten in die Lobby des Pan-Am-Rathauses zu gehen und Pseudotelefonate zu führen. Menschen, die hinein- und hinausgingen, sahen ihn etwas abseits in der Lobby stehen und auf das Glasdisplay seines iPhone tippen. Sie wussten nicht, dass er in Ungnade gefallen war … jedenfalls noch nicht

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