Back to Blood

aufleuchten. Das war nicht der gleiche Nestor Camacho — weißt schon, Camilo Camachos Sohn — der da unerkannt von der immer gleichen Nachtschicht nach Hause fuhr —
    Ganz und gar nicht — denn der Chief war um Mitternacht den ganzen Weg bis zur Marina gefahren, um ihm mit einem »Gut gemacht, Junge«, die Hand zu drücken!
    Nestor war strahlend aus den Reihen der 220 000 Seelen von Hialeah emporgestiegen. Er war nun bekannt in ganz Greater Miami, wohin auch immer die digitalen TV -Strahlen reichten … der Cop, der sein Leben riskiert hatte, um einen armen panischen Flüchtling von einem hoch aufragenden Bootsmast zu retten. Selbst jetzt noch, um die Mitternachtsstunde, tauchte ihn die Sonne in helles Licht. Er spielte mit dem Gedanken, den Camaro zwei oder drei Blocks von zu Hause entfernt abzustellen und den Rest des Weges ruhigen, gemessenen Schritts zu Fuß zu gehen, nur um den Bürgern einen Blick auf den Strahlenden zu gewähren … und sie dabei zu beobachten, wie sie sich gegenseitig anstießen … »Da, schau! Das ist e r ! « Allerdings war nicht zu leugnen, dass nur verdammt wenige Fußgänger unterwegs waren. Hialeah verfügte über kein Nachtleben, das diesen Namen verdiente. Außerdem war er verdammt müde …
    In seinem Block war es genauso schummerig wie in allen anderen, aber La Casita de Camacho sah er sofort. Eine Straßenlaterne, so matt ihr Licht auch war, reichte aus, um auf dem glänzend glatten, fast glasigen Schriftzug an der Seite des vor dem Haus stehenden großen Ford-E-150-Lieferwagens seines Vaters eine Spiegelung hervorzurufen: CAMACHO FUMIGADORES . Sein Alter Herr war stolz auf die Beschriftung. Er hatte richtig Geld bezahlt, um dafür einen richtigen Werbegrafiker anzuheuern. Die schwarz schattierten Buchstaben wirkten, als sprängen sie in drei Dimensionen aus der Wagenseite heraus. CAMACHO FUMIGADORES ! … Camilo Camachos eigene Insektenvernichtungsfirma … Streng genommen war FUMIGADORES , Plural, nicht korrekt. Die Firma beschäftigte genau einen Ausräucherer, einen Mitarbeiter, Punkt, und dessen Name stand auf der Seite des Lieferwagens. Drei Jahre hatte Camilo einen »Angestellten«, seinen Sohn Nestor. Nestor hasste es … Malathion in die dunkelsten, feuchtesten Winkel von Häusern zu sprühen … dabei unweigerlich etwas von dem Scheißzeug einzuatmen … sich dann Camilos Kommentar, »Wird dich schon nicht umbringen!« anzuhören … jeden Tag das Malathion in den Klamotten zu riechen … an sich selbst zu riechen … und darüber so paranoid zu werden, dass er glaubte, jeder, mit dem er zu tun hatte, würde es auch riechen … Wenn die Leute wissen wollten, was er machte, sagte er, er hätte bei einer Firma für Populationsregulierung gearbeitet, schaue sich aber gerade nach einer anderen Arbeit um. Gott sei Dank hatten sie ihn schließlich bei der Polizeischule genommen! Sein Vater hingegen war stolz auf seine Firma, die in anderer Leute Häuser Populationen regulierte. Er wollte, dass todo el mundo IHN HÖCHSTPERSÖNLICH in großen Buchstaben vor seinem Haus stehen sah. Nestor war erst seit vier Jahren bei der Polizei in Miami, aber lange genug, um zu wissen, dass es jede Menge Viertel gab … Kendall, Weston, Aventura, die Upper East Side, Brickell … wo jeder Mann, der so ein Fahrzeug vor seinem Haus stehen hatte, selbst als Kakerlake betrachtet wurde. Desgleichen seine Frau, die beiden Großeltern, die bei ihnen lebten, und der Sohn, der ein Polizist war. Die ganze Brut stellte eine regelrechte Plage dar. In manchen Teilen von Coral Gables verstieß es gegen das Gesetz, ein Nutzfahrzeug vor seinem Haus abzustellen. In Hialeah jedoch war ein Mann stolz darauf. Hialeah war eine 220 000-Seelen-Stadt, und davon waren nach Nestors Schätzung sicher 200 000 Kubaner. Die Leute redeten immer von »Little Havana«, einem Teil von Miami entlang der Calle Ocho, wo die Touristen am Café Versailles haltmachten, einen schrecklich süßen kubanischen Kaffee tranken und dann ein paar Blocks durch die Straßen spazierten, um sich die alten Männer, angeblich Kubaner, anzuschauen, die im Domino Park Domino spielten, einer winzigen Parkfläche genau an der Calle Ocho, die einem ziemlich trostlosen Viertel ein wenig … authentische, pittoreske folklórica atmósfera verleihen sollte. Danach konnten sie dann sagen, sie hätten Little Havana gesehen. Aber das echte Little Havana war Hialeah, außer dass man es kaum klein nennen konnte. Das alte »Little Havana« war trist und