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Back to Blood

Back to Blood

Titel: Back to Blood Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolfe
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Tod in Fidels Kerkern! Wie konntest du das der Ehre deiner eigenen Familie antun? Die Leute haben angerufen! Ich hab den ganzen Abend am Telefon gehangen! Alle wissen es! Sie machen das Radio an, und alles, was sie hören, ist, ›Traidor! traidor! traidor! Camacho! Camacho! Camacho!‹ Du bewirfst uns mit Scheiß e ! « Er wirft seiner Frau einen kurzen Blick zu. »Das musste gesagt werden, Lourdes« — und schaut wieder Nestor an — »Du bewirfst das Haus der Camachos mit Scheiße! «
    Nestor war sprachlos. Es war, als hätte ihm sein Alter Herr einen Baseballschläger über den Schädel gezogen. Sein Mund stand offen, aber kein Ton kam heraus. Er drehte die Handflächen nach oben, die unsterbliche Geste verblüffter Hilflosigkeit. Er konnte nicht sprechen.
    »Was ist los?«, fragte sein Vater. »Hat dir die Wahrheit die Sprache verschlagen?«
    »Wovon redest du, Dad?« Es klang mindestens eine Oktave zu hoch.
    »Ich rede davon, was du getan hast! Wenn das irgendein Polizist deinem Großvater und mir angetan hätte« — er nickte in Richtung des Zimmers von Nestors Großvater und Großmutter, Yeyo und Yeya, das im hinteren Teil des Hauses lag — »was du gerade jemandem aus deinem eigenen Volk, von deinem eigenen Blut angetan hast, dann gäbe es dich gar nicht! Du wärst kein großer Polizist in Miami! Du wärst nichts! Du würdest nicht existieren! Nicht mal existieren! «
    »Dad —«
    »Weißt du, was wir alles tun mussten, damit du überhaupt existieren konntest? Dein Großvater und ich mussten uns selbst ein Boot bauen, nachts, in einem Keller, damit der Blockwart uns nicht draufkam. Und wir sind auch bei Nacht losgesegelt, mit Yeya und deiner Mutter — und wir hatten nur Essen, Wasser und zwei Sonnenschirme dabei, die wir nachts von der Terrasse eines Cafés stehlen und als Segel benutzen mussten. Sonnenschirme aus einem Café!«
    »Ja, Dad, ich weiß —«
    »Zwölf Tage haben wir gebraucht! Zwölf Tage, tagsüber war es glühend heiß, nachts eiskalt, und dauernd hin und her geworfen, so« — er macht das Boot nach, wie es hoch- und run tergeschleudert wird — »und so« — er macht das Rollen des Bootes nach« — »und so« — das Schwanken — »und so« — und wieder die Wellen hoch — »Tag und Nacht, und dauernd Wasser schöpfen, Tag und Nacht. Wir konnten nicht schlafen. Wir kamen kaum zum Essen. Wir mussten alle vier rund um die Uhr Wasser schöpfen, nur damit das Boot nicht absäuft. Wir hätten hundertmal sterben können« — er schnippt mit den Fingern — »einfach so! In den letzten vier Tagen hatten wir fast nichts mehr zu essen und nur noch eine Flasche Wasser, für alle vier —«
    »Dad —«
    »Wir waren nur noch Skelette, als wir schließlich auf Land stießen. Wir waren halb verrückt! Deine Mutter hatte Halluzinationen und —«
    »Dad! Ich weiß das alles!«
    Ich-Camilo-Camacho verstummte. Er atmete so tief ein und verzog das Gesicht zu einer derart verzerrten Grimasse, inklusive gefletschter oberer Zahnreihe und vorquellender Adern, dass er entweder gleich jemanden beißen oder einen Herzanfall erleiden würde — bis er in letzter Sekunde seine Stimme wiederfand und keuchte:
    » Das alles nennst du das? Das alles? Das alles hieß Leben oder Tod! Wir sind fast gestorben! Zwölf Tage in einem offenen Boot auf dem Ozean! Es gäbe keinen Officer Nestor Camacho ohne das alles! Er würde gar nicht existieren! Wenn uns irgendein großer Polizist achtzehn Meter vor dem Ufer verhaftet und zurückgeschickt hätte, dann wäre es aus gewesen mit uns allen! Du wärst niemals nichts geworden! Und das nennst du das alles? Jesus Christus, Nestor, was bist du nur für ein Mensch? Aber vielleicht bist du ja gar keiner! Vielleicht hast du ja Klauen und einen Schwanz wie ein mapache! «
    ::::::Einen Waschbären! nennt er mich.::::::
    »Dad, hör mir zu —«
    »Nein, du hörst jetzt zu! Du weißt nicht, was es heißt, wenn man leidet! Du verhaftest einen Mann achtzehn metros de la liberta d ! Dir ist es egal, dass die Camachos nach Amerika kamen in einem selbst gebauten …«
    »Dad, hör mir jetzt zu! «
    Nestor sagte das in so scharfem Ton, dass sein Vater verstummte.
    »Dieser Bursche musste —« Nestor wollte gerade »das alles« sagen, fing sich aber gerade noch rechtzeitig. »Er musste nichts von dem durchmachen, was du und Yeyo durchmachen mussten. Dieser Bursche hat irgendwelchen Zigarettenschmugglern drei- oder viertausend Dollar bezahlt, damit sie ihn mit ihrem Boot auf direktem

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