back to past - zurueck zu dir
nickte. „Sie sind wirklich nett. Du hast Glück. Das solltest du nicht aufgeben.“ Seine Worte überschlugen sich, und er brach abrupt ab, eilte ohne Ankündigung zurück in die Küche und begann, den Auflauf anzuschneiden. Er verwünschte sich und seine Gedankenlosigkeit im Stillen, während er zusah, wie der Dampf aus dem Inneren der Speise zur Decke stieg.
Als er zurückkehrte, die Form auf den vorbereiteten Untersetzer stellte, und den Schatten auf Gabriels Gesicht bemerkte, verwünschte er sich erneut, zwang sich jedoch zu einem Lächeln und legte die Topflappen auf der Anrichte ab. „Es wird sich zeigen, ob meine Kochkünste tatsächlich deines Lobes würdig sind“, versuchte er einen Scherz, während alles in ihm sich dagegen wehrte, über seinen Ausrutscher nachzudenken. Warum hatte er auch nicht seine Klappe halten können? Unvorbereitet und übereilt hatte er Gabriel einen Blick in sein Inneres gewährt, eine Zukunft angedeutet und ihn damit unter Druck gesetzt. Wenn der nun die erste Gelegenheit ergriff, um wegzulaufen, war das kein Wunder. Christian entsann sich zu deutlich, wegen weitaus weniger die Flucht ergriffen zu haben. Nicht einmal eine Andeutung war nötig gewesen, allein der Versuch, seine Hand zu halten oder ein erwartungsvoller Blick reichten für gewöhnlich aus. Und jetzt glaubte Gabriel mit Sicherheit, was er um keinen Preis glauben sollte, nicht wissen durfte. Mehr noch, da es der Wahrheit entsprach, die Christian nicht mehr leugnen konnte. Es war vorbei, es gab keine Ausreden mehr. Er konnte nicht mehr verdrängen, wie oft er sich Gabriel in diesem Haus vorgestellt hatte. Dass er ihn vor sich sah, wenn er in den Garten ging. Dass Gabriel am Bücherregal stand oder im Sessel saß, die Füße hochgelegt, ein Buch auf dem Schoß, und aufblickte, wenn Christian den Raum betrat. Dass Gabriel sich in Christians Welt einfügte, als sei er mit ihr verwachsen. Dumme, naive Gedanken waren es, zu flüchtig, zu rasch vorbei, um sie ernst nehmen zu können.
Und doch wusste Christian, dass Gabriel genau diese Gedanken spürte, und dass er davor zurückschreckte. Dass er vor dem Ausmaß der offenbarten Erwartung, die an ihn gerichtet wurde, zu flüchten suchte. Dass, egal was Christian sagte oder erklärte, genau diese Erwartung von jetzt an zwischen ihnen stand.
Sie aßen in Ruhe, und Gabriel geizte nicht mit Lob, auch wenn Christian sich sicher war, dass er sich lediglich bemühte, die Stimmung zu lockern. Er selbst erzählte von den Renovierungsarbeiten, beschrieb anschaulich die Baustelle, in der er über Monate gehaust hatte, die Eimer, die den Regen aufgefangen hatten, der durch das marode Dach gedrungen war, die Mäusefamilie, die den Keller besetzt gehalten hatte und die nicht weniger werdenden Brennnesselbeete, die ihm jeden Zentimeter seiner Haut während des Versuchs, sie zu entfernen, verbrannt hatten.
Gabriel erzählte von den Apartmenthäusern, den Wohnvierteln und den Komplexen, in denen er gelebt hatte. Gab zu, nicht mehr als ein Fertiggericht in die Mikrowelle schieben zu können und behauptete, dass ihm bislang noch jede Zimmerpflanze nach wenigen Wochen eingegangen war.
Die Unterhaltung blieb oberflächlich und bewegte sich zunehmend in neutralem Rahmen. Daher wunderte Christian sich nicht, als Gabriel früh aufbrach, von Terminen am folgenden Tag sprach und sich nicht umsah, als er den Garten durchquerte und die Straße hinunterging.
Christians Blick folgte ihm, hing an dem Schatten, den die Straßenlaterne warf, auch als Gabriel bereits die Straße verlassen hatte, bevor er ins Haus zurückging, Küche und Wohnzimmer in Ordnung brachte und mit schweren Schritten das Schlafzimmer betrat. Ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er die Kerzen zurück in den Schrank räumte und die CD aus dem Player nahm. Vielleicht, nur vielleicht interpretierte er zu viel in Gabriels Verhalten hinein. Vielleicht hatte er ein anderes Mal mehr Glück. Statt der Musik, von der er wusste, dass Gabriel sie mochte, legte er ein Hörbuch ein, das Gruseligste und Blutigste, das er finden konnte, und kroch unter die Decke, ohne sich umzuziehen. Auf einmal erschöpfter, als er sich seit Tagen gefühlt hatte.
*
Gabriel wusste, dass er überreagierte, dass er seine Panik zu offen zur Schau stellte. Er überinterpretierte, seine Fantasie spielte ihm Streiche. Schon immer neigte er dazu, sich zu viele Gedanken um die Intentionen anderer zu machen. Matt war nur eines der Beispiele dafür,
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