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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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zu verlieren; es half mir, die Erkenntnisse zur Publikumslenkung und -überwachung, die ich in der dünnen Atmosphäre der Simulationen gewann, an der Realität zu messen.
    Ich stand auf, ging zum Schrank und zog mich an.
    »Was hast du denn vor?«, fragte Lil bestürzt.
    »Hab einen Einsatz. Bin spät dran.«
    »Du bist nicht in der Verfassung zu arbeiten«, entgegnete Lil und zerrte an meinem Ellbogen. Ich riss mich von ihr los.
    »Mir geht’s gut – bin so gut wie neu.« Ich lachte heiser und freudlos auf. »Ich werd nicht zulassen, dass diese Dreckskerle weiter in meinem Leben herumpfuschen.«
    Diese Dreckskerle? , dachte ich. Wie war ich auf die Idee gekommen, es müssten mehrere Täter
sein? Aber ich wusste, dass es stimmte. Es war kaum vorstellbar, dass all das von einer einzigen Person ausgeheckt worden war. Dazu war der Mordanschlag zu präzise und zu umsichtig ausgeführt worden.
    Dan versperrte mir die Schlafzimmertür. »Mach mal halblang, du musst dich ausruhen!«
    Ich fixierte ihn mit einem mürrischen Blick. »Das entscheide ich immer noch selbst.« Er machte den Weg frei.
    »Ich rück dir aber nicht von der Pelle«, sagte er. »Nur für alle Fälle.«
    Ich pingte mein Woppel an. Mein Ansehen war um ein paar Prozent gestiegen – wahrscheinlich aufgrund des Mitgefühls meiner Mitmenschen –, sank jetzt aber wieder, denn Dan und Lil strahlten Missfallen aus. Scheiß drauf.
    Ich stieg in meinen Sportwagen. Während ich den Gang einlegte, um loszubrausen, riss Dan die Beifahrertür auf und ließ sich auf den Sitz fallen.
    »Bist du sicher, dass es dir gut geht?«, erkundigte er sich, als ich mich an der Ecke unserer Sackgasse fast überschlagen hätte.
    »Wieso fragst du? Ich bin doch so gut wie neu.«
    »Eine seltsame Wortwahl«, erwiderte er. »Manche Leute würden behaupten, dass du tatsächlich ein neuer Mensch bist.«

    Ich stöhnte. »Nicht schon wieder diese philosophische Diskussion. Ich fühl mich wie ich selbst, und niemand sonst erhebt Anspruch darauf. Wen kümmert’s, dass ich aus einem Backup wiederhergestellt worden bin?«
    »Ich sag ja nur, dass zwischen dir und einer getreuen Kopie von dir ein gewisser Unterschied besteht, meinst du nicht?«
    Ich wusste, dass er mich mit einer unserer alten Streitfragen abzulenken versuchte, aber ich konnte dem Köder nicht widerstehen, und als ich meine Argumente anführte, half es mir tatsächlich, mich ein wenig zu beruhigen. Dan war diese Art von Freund: ein Mensch, der einen besser kennt als man sich selbst. »Du behauptest also, dass du nicht mehr du selbst bist, wenn du ausgelöscht und dann Atom für Atom neu geschaffen wirst?«
    »Der Logik zuliebe: ja. Wenn man zerstört und neu geschaffen wird, ist das was anderes, als wenn man nicht zerstört wird, richtig?«
    »Bring mal deine Quantenmechanik auf Vordermann, Junge. Du wirst pro Sekunde billionenmal zerstört und neu geschaffen.«
    »Auf der Mikroebene …«
    »Was macht das für einen Unterschied?«
    »Gut, das gesteh ich dir zu. Aber du bist keine Kopie, die Atom für Atom angefertigt wurde. Du bist ein Klon mit einem kopierten Gehirn – das ist
nicht dasselbe wie eine Destruktion von Quanten. «
    »Sehr nett, so was jemandem zu sagen, der gerade umgebracht worden ist, Kumpel. Hast du ein Problem mit Klons?«
    Und schon waren wir wieder mittendrin in unserer Debatte.
     
    Die Ensemblemitglieder des Spukhauses waren widerlich wohlwollend und fürsorglich. Jeder Einzelne legte Wert darauf, bei mir vorbeizuschauen, mir die steife, gestärkte Schulter meines Butlerkostüms zu tätscheln und zu versichern, wenn er etwas für mich tun könne, dann … Ich gönnte ihnen allen ein gezwungenes Lächeln, versuchte mich auf die Gäste zu konzentrieren und festzustellen, wie sie warteten, wann sie eintrafen, wie sie sich durch das Ausgangstor zerstreuten. Dan trieb sich in der Nähe herum, machte gelegentlich die Tour mit, die genau acht Minuten und zweiundzwanzig Sekunden dauerte, und hielt mir die anderen Ensemblemitglieder vom Leib.
    Er war auch in der Nähe, als ich Pause hatte. Ich zog mir Zivilkleidung an, und wir gingen über das Kopfsteinpflaster an der Halle der Präsidenten vorbei. Als ich um die Ecke bog, fiel mir auf, dass dort, wo die Besucher Schlange standen, etwas anders war als sonst. Dan stöhnte. »Sie haben schon angefangen.«

    Ich sah genauer hin. Die Drehkreuze wurden von einem Plakatständer blockiert: Micky Maus mit einer Ben Franklin-Perücke und einer Zweistärkenbrille,

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