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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Besucherdurchlauf zu erhöhen, ohne das Erlebnis der Gäste zu beeinträchtigen. Aber jede Sekunde, die sich zwischen dem Anstellen vorne und dem Verlassen des Spukhauses einsparen ließ, bedeutete die Möglichkeit, weitere sechzig Personen hindurchzuschleusen und die Gesamtwartezeit um dreißig Sekunden zu verkürzen. Und je mehr
Gäste wir in das Spukhaus locken konnten, desto größere Einbrüche würde das Woppel von Debras Leuten erleiden, wenn sie irgendwelche krummen Touren gegen uns fuhren. Deshalb ging ich pflichtbewusst meine Notizen durch. Tatsächlich fand ich in der Friedhofssequenz drei Sekunden, die ich einsparen konnte, sofern sich die Reihen der Wägelchen, die wir Doom Buggys nannten, zur linken Bühnenseite drehten, wenn sie vom Dachbodenfenster herunterfuhren. Auf diese Weise würden sich die Perspektiven erweitern und die Passagiere weniger Zeit benötigen, alles in Augenschein zu nehmen.
    Ich führte eine simulierte Kamerafahrt durch. Als ich mit dem Ergebnis zufrieden war, spielte ich das neue Programm auf und lud die anderen Ad-hoc-kraten von Liberty Square ein, es nach Dienstschluss persönlich zu testen.
    Es war wieder einmal ein schwüler Winterabend und früh dunkel geworden. Die Ad-hoc-kraten hatten so viele Freunde und Angehörige mitgebracht, dass wir den Publikumsandrang, wie er sich außerhalb der Stoßzeiten darstellte, mühelos simulieren konnten. Schwitzend standen wir in der Lobby herum und warteten darauf, dass die Türen aufschwangen, während aus den verborgenen Lautsprechern Wölfe heulten und allerlei Spukgeräusche tönten.
    Als die Türen sich öffneten, war Lil in ihrer
verrotteten Dienstmädchentracht zu sehen, die Augen schwarz umrandet, die Haut totenbleich gepudert. Sie musterte uns mit kaltem, abschätzigem Blick und verkündete mit Grabesstimme: »Meister Gracey verlangt nach frischen Leichen.«
    Während wir uns in den kühlen, finsteren Salon drängten, in dem es muffig roch, nutzte Lil die Gelegenheit, mir liebevoll in den Hintern zu kneifen. Ich wollte die Zärtlichkeit erwidern, doch plötzlich sah ich über Lils Schultern Debras Gefährten, den Elf, aufragen und das Lächeln erstarrte mir auf den Lippen.
    Der Mann sah mir einen Moment lang starr in die Augen und dabei fiel mir etwas in seinem Blick auf: eine Mischung aus Grausamkeit und Sorge, aus der ich nicht recht schlau wurde. Er sah gleich wieder weg. Selbstverständlich war mir klar gewesen, dass Debra Spione in die Menge einschleusen würde. Aber da jetzt ausgerechnet der Elfenjunge zuschaute, beschloss ich, mir mit der Show größte Mühe zu geben.
    Es ist stets ein schwieriges Geschäft, eine laufende Show von innen her zu verbessern. Die getäfelte Wand, die in den zweiten – jüngst renovierten – Streckraum führte, hatte Lil bereits zur Seite geschoben. Auf dem Weg zu den Doom Buggys durchquerten die Besucher diese Kammer, die auf gespenstische Art zusammenzuschrumpfen und sich dann wieder auszudehnen
schien. Nachdem sich die Menge hineinbewegt hatte, versuchte ich ihre Aufmerksamkeit durch meine Körpersprache behutsam auf die Stellen zu lenken, die neuerdings von Scheinwerfern angestrahlt wurden. Während der neu gemasterte Soundtrack aus den Lautsprechern dröhnte, die hinter den mit Kerzenleuchtern bewehrten Wasserspeiern in den Winkeln des achteckigen Raums angebracht waren, neigte ich mich leicht in die Richtung der bewegten Stereoprojektion. In dem Augenblick, bevor das Licht ausging, richtete ich den Blick demonstrativ auf die Stoffbahnen unter der Decke. Mein Hinweis kam an: Die Leute schauten zu, wie ein UV-bestrahlter Leichnam von der pechschwarzen Decke fiel und an der Schlinge um seinen Hals herunterbaumelte.
    Danach rückten die Besucher in den zweiten Wartebereich vor, wo sie die Doom Buggys bestiegen. Als wir auf den Rollweg hinaufglitten, war ein Murmeln verhaltener Begeisterung zu hören. Kaum hatte ich in meinem Wägelchen Platz genommen, ließ sich jemand auf dem Nebensitz nieder. Es war der Elf.
    Er vermied jeden direkten Augenkontakt mit mir, aber ich bemerkte seine Seitenblicke, als wir an dem schwebenden Kronleuchter vorbei in den Korridor fuhren, wo die Augen der Porträts uns beobachteten. Vor zwei Jahren hatte ich diese Sequenz beschleunigt, indem ich die Doom
Buggys aufs Geratewohl hin und her gondeln ließ. Auf diese Weise hatte ich die Gesamtfahrtzeit um fünfundzwanzig Sekunden verkürzen und den stündlichen Durchlauf von maximal 2365 Besuchern auf maximal 2600

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