Backup - Roman
freundschaftlich.
Ich nehme an, von meiner Seite sah es nicht anders aus. Wenn ich mir die Leute vorzustellen versuchte, verschmolzen sie zu einer gesichtslosen, teils passiven, teils aggressiven Masse. Sie waren so stark damit beschäftigt, in ihrer auf Förmlichkeit bedachten Welt immer wieder einen Konsens herzustellen, dass ihnen kaum noch Zeit für anderes blieb. Folglich stellten sie nichts Nennenswertes auf die Beine.
Dan und ich stürzten uns in die Arbeit, grasten das Netz nach Adressenlisten von Spukhaus-Freaks in aller Welt ab und sortierten die Leute nach Zeitzonen, Eigenarten und, natürlich, ihrem Woppel.
»Das ist ja irre«, sagte ich und blickte von dem altmodischen Terminal auf, das ich benutzte – meine Systeme waren wieder offline. Sie hatten in den letzten Tagen ständig Zicken gemacht, und ich hatte mir immer wieder vorgenommen, zum Arzt zu gehen, war aber nicht dazu gekommen. In regelmäßigen Abständen erfasste mich ein Anfall von Panik, wenn mir bewusst wurde, dass
mein letztes Backup gefährlich lange her war, aber das Spukhaus hatte stets Vorrang.
»Häh?«, fragte Dan.
Ich tippte aufs Display. »Siehst du das?« Es war eine Fan-Site, die verschiedene animierte 3D-Raster von Elementen des Spukhauses enthielt. Diese Sammlung war Teil eines riesigen Gemeinschaftsprojekts, das schon seit Jahrzehnten lief und zum Ziel hatte, eine zentimetergenaue VR-Simulation des Parks zu entwickeln. Ich hatte solche Raster auch selbst schon benutzt, um eigene Probefahrten mit der Kamera durchzuführen.
»Wirklich klasse«, sagte Dan. »Dieser Kerl muss regelrecht süchtig sein.« Der Urheber dieser Raster hatte jedes Gespenst in der Szenerie des Ballsaals detailgetreu modelliert, montiert und animiert, einschließlich der Kinematik, die für eine flüssige Bewegung erforderlich ist. Wo sich ein »normaler« künstlerisch veranlagter Fan mit einer Standard-Bibliothek menschlicher Kinematik begnügt hätte, um die Figuren zu entwerfen, hatte dieser hier die gesamten Bewegungsabläufe offensichtlich von Grund auf selbst entwickelt und so programmiert, dass die Geister sich mit einer Geschmeidigkeit bewegten, die nicht menschlich, sondern tatsächlich gespenstisch wirkte.
»Wer hat das produziert?«, fragte Dan. »Haben wir ihn schon auf unserer Liste?«
Ich scrollte nach unten, um den Namen des
Entwicklers zu lesen. »Das darf doch nicht wahr sein!«, keuchte Dan.
Der Entwickler war Tim, Debras elfenhafter Kumpel. Er hatte die Designs eine Woche vor meiner Ermordung ins Netz gestellt.
»Was hältst du davon?«, fragte ich Dan, obwohl mir schon etwas schwante.
»Tim hat einen Narren am Spukhaus gefressen«, sagte Dan. »Das wusste ich allerdings schon.«
»Das hast du gewusst?«
Offenbar fühlte er sich leicht in die Defensive gedrängt. »Klar doch. Ich hab’s dir damals sogar erzählt, als ich auf deinen Wunsch hin mit Debras Bande herumgehangen hab.«
Hatte ich ihn darum gebeten? Wenn ich mich recht erinnerte, war es sein eigener Vorschlag gewesen. Aber jetzt war keine Zeit, sich auch noch damit zu befassen.
»Aber was bedeutet das, Dan? Steht er auf unserer Seite? Sollen wir versuchen, ihn zu rekrutieren? Oder hat er Debra davon überzeugt, dass sie das Spukhaus an sich bringen muss?«
Dan schüttelte den Kopf. »Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie das überhaupt will. Ich kenne Debra. Sie will nur eines: Ideen in die Tat umsetzen, und zwar so schnell und gründlich wie möglich. Sie wählt ihre Projekte sorgfältig aus. Sie ist gewinnsüchtig, stimmt schon, aber sie ist auch
vorsichtig. Sie hatte eine großartige Idee für die Halle der Präsidenten, deshalb hat sie die Halle an sich gebracht. Aber ich hab sie noch nie über das Spukhaus reden hören.«
»Natürlich nicht. Sie ist gerissen. Hast du sie etwa über die Halle der Präsidenten reden hören? «
Dan geriet ins Straucheln. »Eigentlich nicht… Also, nicht ausdrücklich, aber …«
»Aber gar nichts«, unterbrach ich ihn. »Sie ist hinter dem Spukhaus her. Sie hat’s auf das Magische Königreich abgesehen, sie will den ganzen Park. Verdammt noch mal, sie will alles an sich reißen, und offenbar bin ich der Einzige, der das begriffen hat.«
Am Abend, als wir uns wieder mal stritten, klärte ich Lil über die Aussetzer meiner Systeme auf. Streitigkeiten hatten sich zu unserer allabendlichen Lieblingsbeschäftigung entwickelt, deshalb schlief Dan mittlerweile lieber in einem der Hotels auf dem Gelände.
Natürlich hatte
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