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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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darin, Krisen zu bewältigen.
    »Falls das ein Trost ist: Ich rechne damit, dass ich bald tot bin.« Er grinste schief. »Mein Woppel macht sich. Die Modernisierung dürfte mich ganz nach vorn bringen. Dann kann ich mich verabschieden. «
    Das brachte mich zur Besinnung. Ich hatte es tatsächlich irgendwie zu verdrängen geschafft, dass Dan, mein guter Freund Dan, sich umbringen wollte.
    »Du willst es also wirklich tun?« Ich setzte mich neben ihn. Der Gedanke schmerzte. Ich mochte diesen Mistkerl. Er war vermutlich der beste Freund, den ich je gehabt hatte.
    Als jemand an die Tür klopfte, öffnete ich sie, ohne durch den Spion zu schauen. Es war Lil.
    Sie wirkte jünger denn je. Jung, klein und elend. Eine abfällige Bemerkung blieb mir im Hals stecken. Ich hätte Lil lieber in den Arm genommen.
    Sie schob sich an mir vorbei und ging zu Dan, der sich aus ihrer Umarmung wand.
    »Nein.« Er stand auf und setzte sich auf die Fensterbank, um auf die Lagune der Sieben Meere hinauszustarren.
    »Dan hat mir gerade erklärt, dass er in ein
paar Monaten aus dem Leben scheiden will«, sagte ich. »Das kollidiert ein bisschen mit deinen langfristigen Plänen, nicht wahr, Lil?«
    Tränen strömten ihr übers Gesicht und sie schien in sich zusammenzusacken. »Ich nehme, was ich kriegen kann«, erwiderte sie.
    Ich schluckte einen Anflug von Verzweiflung hinunter, und mir wurde klar, dass es der Verlust von Dan und nicht von Lil war, der mir so zu schaffen machte.
    Lil nahm Dan an der Hand und führte ihn aus dem Zimmer.
    Ich glaube, ich werde auch nehmen, was ich kriegen kann, dachte ich.

Sechs
    WÄhrend ich in meinem Hotelbett lag, hypnotisiert von den trägen Rotationen des Deckenventilators, überlegte ich, ob ich womöglich verrückt war.
    Auch in der Epoche der Bitchun Society kam dergleichen vor, und die Therapien, die angeboten wurden, waren kein Zuckerschlecken.
    Ich war einmal mit einer verrückten Person verheiratet gewesen. Damals waren wir beide um die siebzig, und ich lebte ausschließlich, um mich zu amüsieren. Sie hieß Zoya, doch ich nannte sie Zed.
    Wir lernten uns im Erdorbit kennen, wo ich die viel gerühmten Wonnen der Schwerelosigkeit kosten wollte. Sich bei 1 g zu betrinken, macht nicht sonderlich viel Spaß, aber bei 8 – 10 g ist es ein einziges Vergnügen. Man wankt nicht, sondern
hüpft wie ein Ball durch die Gegend, und wenn man sich in einer Kugel voller glücklicher und ausgelassener Nackter befindet, die alle wild durcheinanderhüpfen, kommt man wirklich auf seine Kosten.
    Ich sprang in einer durchsichtigen Kugel von anderthalb Kilometern Durchmesser herum, die mit kleineren Blasen gefüllt war, in denen man sich birnenförmige Gefäße mit einem fruchtigen, teuflischen Gebräu besorgen konnte. Der Boden der Kugel war mit Musikinstrumenten übersät, und wenn man spielen konnte, schnappte man sich eins, schnallte es fest und legte los. Andere wählten dann ihre eigenen Lieblingskrachmacher aus und stimmten mit ein. Die Stücke variierten von schrecklich bis grauenvoll, waren aber immer voller Energie.
    Ich arbeitete zu dieser Zeit mit Unterbrechungen an meiner dritten Symphonie, und immer wenn ich der Ansicht war, eine nette Passage habe lange genug in meinem Kopf gegärt, verbrachte ich einige Zeit in der Kugel und spielte sie. Manchmal verschafften mir die Fremden, die in das Stück einstimmten, neue und interessante Einsichten in die Möglichkeiten meiner Komposition, und das war sehr nützlich. Selbst wenn nicht, war Musikmachen eine fruchtbare Methode, interessante, nackte Fremde schnell auf sich aufmerksam zu machen.

    Und so lernten wir uns kennen. Sie schnappte sich ein Piano und hämmerte in einem vertrackten Rhythmus Barrelhouse-Läufe in die Tasten, während ich das Hauptthema des Satzes auf einem Cello variierte. Anfangs brachte sie mich durcheinander, aber nach kurzer Zeit dämmerte mir, was sie mit meiner Musik anstellte, und es war wirklich gut. Was andere Musiker angeht, bin ich ein Schmarotzer.
    Schlagartig brachten wir die Session zu Ende. Ich schwang den Bogen so wild, dass sich überall auf meinem Körper Schweißperlen bildeten, die von den hydrotropischen Recyclern elegant abgesaugt wurden. Und sie drosch auf die achtundachtzig Tasten ein, als wäre nicht das Piano, sondern der Dreckskerl gemeint, der ihren Partner umgebracht hatte.
    Als die letzte Note in der Blase verhallte, sank ich theatralisch zusammen. Die Singles, Paare und Gruppen unterbrachen ihre koitalen

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