Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
tun, dass sie sich immer wieder in eine gesichtslose Masse verwandelten. Mühsam musste ich gegen das Verlangen ankämpfen, mich durch die Menge zum Rand des Bahnsteigs vorzudrängen, um leichter einen Platz im Zug zu ergattern.
    Die Versammlung fand oberhalb der Sonnenterrasse im Abenteuerland statt, nur wenige Schritte von der Stelle entfernt, wo mich die immer noch unbekannte Attentäterin in Bodenbelag verwandelt hatte. Die Ad-hocs des Abenteuerlands schuldeten dem Team von Liberty Square noch einen Gefallen, weil man mir auf ihrem Territorium das Licht ausgeblasen hatte, deshalb hatten sie uns einen ihrer luxuriösen Sitzungssäle zur Verfügung gestellt. Floridas ewiger Sonnenschein drang durch die Ritzen der Jalousien und warf ein Gitter aus Lichtbalken durch den Raum, in denen sich der Staub fing. Schwach waren vom Tiki Room her Trommelrhythmen zu hören, außerdem die wortreichen Erklärungen der Führer, die die Flusstour durch den Dschungel begleiteten. Diese Attraktionen zählten zu den
ältesten im Park und lieferten eine unaufdringliche stimmungsvolle Geräuschkulisse.
    Das Team, das für Liberty Square zuständig war, bestand aus fast hundert Ad-hocs, die meisten davon Ensemblemitglieder der zweiten Generation. Fast alle hatten ein breites, freundliches Lächeln aufgesetzt, als sie in den Saal strömten und ihn fast bis zum letzten Platz füllten. Bevor die Sitzung endlich beginnen konnte, mussten erst ausgiebig Hände geschüttelt und Umarmungen ausgetauscht werden. Ich war dankbar dafür, dass der Saal nicht genügend Platz für die übliche große Sitzrunde bot. So musste Lil zwangsläufig auf ein Podest steigen und hatte Gelegenheit, sich nicht nur Gehör, sondern auch ein wenig Respekt zu verschaffen.
    »Hallo zusammen!«, rief sie mit heller Stimme. Ihre Augen waren vom Weinen immer noch ein wenig verschwollen, was bei näherem Hinsehen auffiel, aber sie war geübt darin, Dinge beherzt anzupacken, auch wenn es ihr schlecht ging.
    »Hallo Lil!«, riefen die Ad-hocs im Chor zurück und lachten über ihre eigene altmodische Tradition. Oh, das hier war wirklich einer der lustigsten Haufen im Magischen Königreich.
    »Ihr wisst ja alle, warum wir hier sind, stimmt’s?«, fragte Lil mit selbstironischem Lächeln. Schließlich hatte sie seit Wochen Stimmung
für diese Sitzung gemacht. »Hat jemand Fragen zu unseren Plänen? Wir möchten sie umgehend verwirklichen.«
    Ein Typ mit gewollt jungenhaften, strahlend gesunden Gesichtszügen hob den Arm. Lil nickte ihm zu. »Wenn du ›umgehend‹ sagst, heißt das …«
    »Das heißt heute Abend«, fiel ich ihm ins Wort. »Nach dieser Sitzung. Wir haben einen achtwöchigen Produktionsplan, und je eher wir anfangen, desto schneller werden wir fertig.«
    Die Zuhörer murmelten beunruhigt. Als mir Lil einen vernichtenden Blick zuwarf, zuckte ich nur die Achseln. Ich war nun mal nicht gerade der geborene Politiker.
    »Don«, sagte Lil, »wir probieren hier etwas ganz Neues aus, ein wirklich durchorganisiertes Projekt. Das Gute daran ist, dass die Realisierung dieses Projekts nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen wird. In ein paar Monaten werden wir wissen, ob es sich für uns auszahlt. Falls nicht, können wir es genauso schnell wieder kippen. Deshalb haben wir für die Planung nicht so viel Zeit wie sonst aufgewendet. Es wird nicht fünf Jahre dauern, bis wir merken, ob sich die Idee bewährt. Deshalb sind auch die Risiken geringer.«
    Diesmal meldete sich eine Frau von schätzungsweise vierzig zu Wort, eine rundliche, mütterlich wirkende Erscheinung. »Ich bin dafür, dass
wir uns beeilen. Man kann uns, weiß Gott, nicht nachsagen, dass wir die Dinge in der Vergangenheit überstürzt haben. Allerdings habe ich Bedenken wegen der vielen neuen Leute, die du anwerben willst. Werden so viele Neue uns nicht ausbremsen, wenn wir künftig Entscheidungen fällen müssen?«
    Nein, dachte ich gehässig, weil die Leute, die ich hierher hole, nicht süchtig nach Sitzungen sind.
    Lil nickte. »Ein gutes Argument, Lisa. Allerdings machen wir den Mitspielern im Netz, die über Telepräsenz hier vor Ort agieren, nur ein vorläufiges Angebot. Sie dürfen erst mit abstimmen, wenn wir uns darüber einig geworden sind, dass die Modernisierung ein Erfolg war.«
    Ein weiteres Ensemblemitglied erhob sich. Ich kannte ihn: Es war Dave, ein dicklicher Schwachkopf, der sich selbst viel zu wichtig nahm und gern an der Eingangstür arbeitete, auch wenn er seinen Text die Hälfe der

Weitere Kostenlose Bücher