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Backup - Roman

Backup - Roman

Titel: Backup - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Aktivitäten, um zu applaudieren. Die Frau verbeugte sich, schnallte sich vom Steinway los und begab sich zur Luke.
    Ich zog die Beine an, stieß mich ab und sauste durch die Kugel, verzweifelt darum bemüht, die Luke vor ihr zu erreichen. Ich erwischte sie, als sie gerade aufbrechen wollte.
    »He«, sagte ich, »das war toll! Ich bin Julius! Wie geht’s dir?«

    Sie streckte beide Hände aus und zwickte mir gleichzeitig in die Nase und ins Gemächt – nicht fest, damit wir uns nicht falsch verstehen, sondern spielerisch. »Tut-tuut!«, machte sie und wand sich durch die Luke, während ich mit offenem Mund auf meinen schwellenden Ständer starrte.
    Ich jagte hinter ihr her. »Moment mal«, rief ich, als sie durch die Speiche der Station auf den Bereich mit künstlicher Schwerkraft zutorkelte.
    Sie hatte den Körper einer Pianistin: modifizierte Arme und Hände, die sie auf unglaubliche Spannen ausstrecken konnte und mit der Eleganz einer erfahrenen Raumtouristin dazu benutzte, auf ein hohes Tempo zu beschleunigen. Auf meinen in der Schwerelosigkeit noch unerfahrenen Beinen hampelte ich, so gut ich konnte, hinter ihr her, doch als ich den Randbereich der Station erreichte, wo halbe Erdschwerkraft herrschte, war sie verschwunden.
    Ich traf sie erst wieder, als ich den nächsten Satz meiner Komposition beendet hatte und mich in die Kugel begab, um ihn auf einer Oboe auszuprobieren. Ich wärmte mich gerade auf, als die Frau durch die Luke hereinschwebte und sich am Klavier festschnallte.
    Diesmal klemmte ich mir die Oboe unter den Arm und hüpfte zu ihr hinüber, bevor ich das
Mundstück befeuchtete und zu spielen anfing. Während wir gemeinsam improvisierten, schwebte ich über dem Klavierdeckel und sah der Frau in die Augen. Ihr war an diesem Tag nach Viervierteltakt und I-IV-V-Akkordreihen zumute, und in dieser Stimmung wechselte sie von Blues zu Rock zu Folk und alberte mit meinen Melodien herum. Sie warf mir Motive zu, ich warf ihr Motive zu, und sie kniff auf charmante Art die Augen zusammen, wann immer mir eine kleine geistreiche Sequenz gelang.
    Sie war fast flachbrüstig und wie ein Backenhörnchen mit einem flaumigen roten Fell bedeckt. Es war der typische Stil von Weltraumtouristen, angepasst an das klimaregulierte, gut abgefederte Dasein im All. Fünfzig Jahre später lernte ich Lil kennen und lieben, auch eine Rothaarige, aber Zed war meine Erste.
    Ich spielte und spielte, verzaubert von ihren fließenden Bewegungen an der Klaviatur und ihren komisch geschürzten Lippen, wenn sie, höchst konzentriert, eine besonders knifflige kleine Phrase herunterspielte. Wenn ich müde wurde, spielte ich einen langsamen Übergang oder überließ ihr ein Solo, denn ich wollte unser Zusammenspiel möglichst lange ausdehnen. Mittlerweile hatte ich mich genau zwischen ihr und der Luke postiert.
    Als ich die letzte Note blies, war ich zwar ausgewrungen
wie ein Waschlappen, doch ich mobilisierte meine letzten Kräfte, um zur Luke zu schießen und sie zu blockieren. Zed schnallte sich gelassen los und schwebte zu mir hinüber.
    Ich sah ihr in die Augen, die silbrig schimmernden, schlitzförmigen Katzenaugen, in die ich den ganzen Nachmittag gestarrt hatte, und merkte, wie sich ihr Lächeln von den Mundwinkeln aus über ihren ganzen Körper ausbreitete, bis hinunter zu ihren langen, eleganten Zehen. Sie erwiderte meinen Blick, sah mich lange Zeit an und fasste mich wieder an den Weichteilen.
    »Mit dir könnte ich’s mal probieren«, erklärte sie und nahm mich in ihr Quartier am anderen Ende der Station mit.
    Zum Schlafen kamen wir nicht.
     
    Zoya hatte schon früh Karriere als Netzwerktechnikerin gemacht. Sie war für die geostationären Breitband-Satelliten zuständig gewesen, die mit dem Aufbruch der Menschheit ins Bitchun-Zeitalter zunehmend installiert wurden. Häufig war sie dabei großer Strahlenbelastung und geringer Schwerkraft ausgesetzt gewesen. Im Laufe der Zeit hatte sie sich immer mehr in ein transhumanes Wesen verwandelt und an ihrem Körper eine verwirrende Vielzahl von Modifikationen vornehmen lassen. Beispielsweise besaß sie einen Stummelschwanz, Augen, die den Großteil
des elektromagnetischen Spektrums wahrnehmen konnten, verlängerte Arme, einen Pelz, biegsame austauschbare Kniegelenke und ein völlig mechanisches Rückgrat. Deshalb litt ihr Rücken unter keiner dieser lästigen Verschleißerscheinungen, mit denen wir Normalsterblichen uns rumschlagen, wie Schmerzen im Lendenbereich, Entzündungen der

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